Rz. 99
Auch bei Gesellschaftsanteilen steht im Falle des Ertragsnießbrauchs dem Nießbraucher lediglich der entnahmefähige Gewinn bzw. bei Kapitalgesellschaften die ausgeschüttete Dividende zu. Im Hinblick darauf, dass der Nießbraucher grundsätzlich nicht Inhaber der Gesellschaftsrechte wird, insbesondere kein Stimmrecht wahrnehmen kann, muss durch vertragliche Vereinbarungen sichergestellt werden, dass der Übernehmer jedenfalls bei Beschlüssen über die Gewinnverwendung bzw. über Entnahmemöglichkeiten/Ausschüttungen sein Stimmrecht im Sinne des Nießbrauchers auszuüben hat. Dies gilt umso mehr als eine entsprechende gesetzliche oder sich aus dem Gedanken von Treu und Glauben ergebende Verpflichtung des Übernehmers streitig ist.
Rz. 100
In ertragsteuerlicher Hinsicht stellt sich vor dem Hintergrund des oben angesprochenen Urteils aus dem Jahr 2017 die Frage, ob die dort für die ertragsteuerneutrale Übertragung von Einzelunternehmen gestellten Anforderungen auch für die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (sog. Mitunternehmeranteilen) anzuwenden sind. Das sollte bereits angesichts des Gesetzeswortlauts in § 6 Abs. 3 S. 2 EStG ausgeschlossen sein, da dort ausdrücklich auch die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils als steuerneutral privilegiert wird. Die vom BFH beim Einzelunternehmer geforderte vollständige Einstellung der gewerblichen/unternehmerischen Tätigkeit ließe sich hiermit nicht in Einklang bringen. Das sieht erfreulicherweise auch die Finanzverwaltung so.
Mangels eindeutiger Klarstellung durch die jüngere Rechtsprechung bleiben aber auch insoweit gewisse Restrisiken.
Rz. 101
Muster 28.6: Stimmrechtsausübung im Sinne des Nießbrauchers
Muster 28.6: Stimmrechtsausübung im Sinne des Nießbrauchers
Die mit dem nießbrauchsbelasteten Kommanditanteile verbundenen Mitgliedschaftsrechte, insbesondere die Stimmrechte – insbesondere hinsichtlich der in § _________________________ des Gesellschaftsvertrages genannten Beschlussgegenstände (Änderung des Gesellschaftsvertrages, Aufnahme neuer Gesellschafter, Auflösung etc.) – stehen ausschließlich dem Übernehmer zu. Dieser verpflichtet sich jedoch, alles zu unterlassen, was den vorbehaltenen Nießbrauch beeinträchtigen oder vereiteln könnte. Darüber hinaus erteilt er dem Übergeber hiermit unwiderruflich die Vollmacht, sein Stimmrecht bei der _________________________ KG bei der Fassung von Beschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Verwendung des Jahresüberschusses sowie bei sonstigen Entnahmebeschlüssen vollumfänglich auszuüben. Soweit die Stimmrechtsvollmacht zugunsten des Übergebers (Nießbrauchers) auch für Entscheidungen betreffend die Verfügung über Gegenstände des Anlagevermögens, die Verwendung von außerordentlichen Erträgen (z.B. aus der Verwertung von Anlagevermögen) oder die Auflösung und/oder Verwendung von Rücklagen gilt, ist der Übergeber (Nießbraucher) aber verpflichtet, das Stimmrecht nur in Übereinstimmung mit den Wünschen des Übernehmers auszuüben. Im Übrigen hat der Übergeber gegenüber dem Übernehmer im selben Umfang Anspruch auf Information und Auskunft über die Angelegenheiten der _________________________ KG, wie dem Übernehmer selbst Informations- und Auskunftsrechte gegenüber der Gesellschaft zustehen.
Rz. 102
Ein Vollrechtsnießbrauch an Gesellschaftsrechten kann nur dann bestellt werden, wenn die Anteile als solche übertragbar sind (§ 1069 BGB). Die Bestellung erfolgt nach den für die jeweilige Gesellschaftsform maßgeblichen Regeln, bei GmbH-Geschäftsanteilen ist demzufolge die notarielle Beurkundung zwingend erforderlich, § 15 Abs. 3 GmbHG.
Rz. 103
Problematisch ist auch beim Vollrechtsnießbrauch die Entscheidung, ob und inwieweit die Verwaltungs- bzw. Gesellschafterrechte auf den Nießbraucher übergehen und von diesem wahrgenommen werden können. Auch wenn der BFH davon ausgeht, dass die Verwaltungs- und Mitwirkungsrechte sich zwischen Nießbraucher und Anteilsinhaber spalten und der Nießbraucher die Stimm- und Kontrollrechte insoweit innehat, als seine Interessen betroffen sind, sollte dieser Gesichtspunkt auf jeden Fall ausdrücklich geregelt werden.