Rz. 87
Bei Versorgungsleistungen ist zunächst aus zivilrechtlicher Sicht zwischen Rente und dauernder Last zu unterscheiden. Während die Leibrente sich dadurch auszeichnet, dass die vereinbarten Leistungen nach Art und Höhe unveränderlich bleiben, ist bei der dauernden Last von vornherein die Möglichkeit zu späteren (insbesondere betragsmäßigen) Anpassungen angelegt. Beide Varianten der Versorgungsleistung zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Höhe nach nicht am Wert des übertragenen Unternehmens orientiert sind, sondern allein am Versorgungsinteresse des Übergebers bzw. seines Ehegatten/Lebenspartners und an der Leistungsfähigkeit des Übernehmers.
Rz. 88
Steuerlich handelt es sich bei Versorgungsleistungen nicht um ein Entgelt i.S.d. Einkommensteuerrechts mit der Folge, dass keine Veräußerung bzw. Anschaffung erfolgt, sondern vielmehr eine unentgeltliche Vermögensübertragung, die (wenn nicht weitere Gegenleistungen erbracht werden, z.B. eine Schuldübernahme oder Gleichstellungsgelder) keine Einkommensteuerbelastung auslöst. In schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht liegt aber dennoch eine nur teilweise freigebige Zuwendung vor, so dass die steuerliche Bemessungsgrundlage entsprechend reduziert wird (vgl. § 5 Rdn 38; Schenkung unter Leistungsauflage).
Rz. 89
Im Bereich der Unternehmensnachfolge können sich Versorgungsleistungen darüber hinaus auch mindernd auf die Einkommensteuer des Übernehmers auswirken. Denn unter bestimmten Voraussetzungen kann er die entsprechenden Aufwendungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgaben abziehen. Der Übergeber hat die Leistungen dann als sonstige Einkünfte (§ 22 EStG) zu versteuern. Im Hinblick darauf, dass oftmals die insgesamt beim Übergeber (noch) anfallenden Einkünfte deutlich niedriger sind als die des Übernehmers, kann sich so für die Familie ein erheblicher Progressionsvorteil ergeben.
Rz. 90
Die Voraussetzungen für die ertragsteuerliche Anerkennung von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben lassen sich – kurz gefasst – wie folgt darstellen:
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Übertragungsgegenstand muss eine nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigte Wirtschaftseinheit sein, mithin also Betriebsvermögen (Betriebe oder Teilbetriebe nach §§ 6 Abs. 3, 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG), Mitunternehmeranteile (an Personengesellschaften mit landwirtschaftlicher, gewerblicher oder freiberuflicher Tätigkeit) oder GmbH-Anteile, sofern mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen wird und gleichzeitig der Übernehmer die Geschäftsführertätigkeit des Übergebers übernimmt bzw. fortführt. |
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Es muss sich um eine wenigstens teilweise unentgeltliche Zuwendung handeln; dies wird bei Vermögensübertragungen an nahe Angehörige grundsätzlich (widerlegbar) vermutet. |
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Bei dem Übertragungsgegenstand muss es sich um eine "ausreichend ertragbringende Wirtschaftseinheit" handeln. Dies setzt voraus, dass nach überschlägiger Berechnung die wiederkehrenden Leistungen nicht höher sind als der langfristig erzielbare Ertrag des übertragenen Vermögens. |
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Die Versorgungsleistungen müssen auf die Lebenszeit des Empfängers gewährt werden und müssen regelmäßig zu leisten sein. |
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Als Empfänger des übertragenen Vermögens kommen sowohl Abkömmlinge als auch sonstige gesetzlich erbberechtigte Verwandte in Betracht. |
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Empfänger der Versorgungsleistungen dürfen nur der Übergeber selbst, sein Ehegatte sowie die gesetzlich erb- und pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge sein, ebenso der eingetragene Lebenspartner. |
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Wie bei allen Verträgen unter nahen Angehörigen ist es für die steuerliche Anerkennung entscheidend, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten eindeutig und rechtswirksam vereinbart werden (zivilrechtlich wirksamer Vertrag), das Vereinbarte auch tatsächlich gewollt ist und in der Praxis entsprechend durchgeführt wird. |
Rz. 91
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, so kann die gezahlte Versorgungsleistung insgesamt als Sonderausgabe steuerlich berücksichtigt werden. Die früher (vor 2008) für den Umfang des Sonderausgabenabzuges erhebliche Unterscheidung zwischen Rente und dauernder Last ist nicht mehr relevant. Unter steuerlichen Gesichtspunkten gefährlich sind lediglich die Fälle, in denen der Barwert der wiederkehrenden Leistungen höher als der Wert des übertragenen Vermögens ist. Denn dann ist insgesamt ein entgeltlicher Vorgang anzunehmen, so dass von Versorgungsleistungen im steuerlichen Sinne gar keine Rede sein kann. Die über den Wert des übernommenen Unternehmensvermögens hinausgehenden Versorgungsleistungen können steuerlich nicht berücksichtigt werden (§ 12 Nr. 2 EStG).
Rz. 92
Im Rahmen der Gestaltung von Versorgungsvereinbarungen sollte stets klar und eindeutig geregelt werden, welchen konkreten Umfang die gegenseitigen Rechte bzw. Pflichten haben sollen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Abänderbarkeit (Rente oder dauernde Last). Soweit eine dauernde Last gewollt ist, also die Abänderbarkeit insbesondere der Höhe der zu erbringenden Leistungen vereinbart we...