Rz. 176
Die – unselbstständige – Anschließung an die (Haupt-)Berufung dient in erster Linie dazu, dem Berufungsbeklagten eine ansonsten durch die Antragsbindung (§ 528 ZPO; siehe oben Rdn 129) versagte Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu seinen Gunsten zu eröffnen. Eine – auch hilfsweise – Klageänderung (§ 263 ZPO) oder -erweiterung (§ 264 Nr. 2 Var. 1 ZPO) in der Berufung durch eine in erster Instanz voll obsiegende und deshalb eine eigenständige Berufung nicht führende Partei setzt – unbeschadet der Voraussetzungen des § 533 ZPO (siehe oben Rdn 171 ff.) – grundsätzlich die Einlegung einer Anschlussberufung voraus, denn der Berufungsbeklagte will das erstinstanzliche Urteil nicht nur verteidigen, sondern die von ihm im ersten Rechtszug gestellten Anträge modifizieren. Dies gilt auch dann, wenn die – auch hilfsweise – Einführung eines neuen Klagegrundes durch den Kläger als Berufungsbeklagten eine Änderung seines Sachantrags nicht verlangt (§ 263 ZPO). Eine Beschränkung seines Antrags (§ 264 Nr. 2 Var. 2 ZPO) kann vom Kläger als Berufungsbeklagten dagegen – auch hilfsweise – ohne Anschlussberufung vorgenommen werden. Ebenso kann ohne Anschlussberufung wegen einer nachträglichen Veränderung ein anderer Gegenstand gefordert werden (§ 264 Nr. 3 ZPO), sofern mit dem neuen Antrag nicht mehr verlangt wird als erstinstanzlich bereits zuerkannt. Auch ein das unverändert bleibende Klageziel – bei gleichbleibendem Klagegrund – lediglich in andere Worte fassender Antrag bedarf keiner Anschlussberufung (arg. § 264 Nr. 1 und 2 ZPO). Die Anschlussberufung ist selbst kein Rechtsmittel, sondern nur ein auch angriffsweise wirkender Antrag innerhalb der fremden (Haupt-)Berufung.
Rz. 177
Die Anschließung ist daher auch dann noch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf eine eigene (Haupt-)Berufung verzichtet hat oder die für ihn laufende Berufungsfrist verstrichen ist (§ 524 Abs. 2 ZPO). Eine Beschwer oder deren Geltendmachung setzt die Anschlussberufung ebenfalls nicht voraus, siehe oben Rdn 16. Eine Anschlussberufung kann folglich auch (nur) mit dem Ziel eingelegt werden, die Klage zu erweitern oder einen neuen Anspruch in den Rechtsstreit einführen.
Rz. 178
Eine Anschlussberufung ist allerdings nur zulässig, wenn damit mehr erreicht werden soll als die Zurückweisung der Berufung. Auch eine Anschließung, mit der nicht mehr erreicht werden soll, als dem Berufungsbeklagten durch das erstinstanzliche Gericht bereits zuerkannt wurde, ist nicht zulässig.
Rz. 179
Eine unzulässige (Haupt-)Berufung ist regelmäßig in eine zulässige Anschlussberufung umzudeuten, wenn die formellen Voraussetzungen für eine Anschließung vorliegen. Für die Umdeutung genügt es, wenn diese vom mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt wird: In aller Regel wird aber eine Partei ihre unzulässige (Haupt-)Berufung als zulässige Anschlussberufung retten wollen.
Rz. 180
Eine bedingte Anschlussberufung ist zulässig, wenn sie lediglich von einem "innerprozessualen Vorgang" abhängt, der auch in einer bestimmten Entscheidung des Gerichts bestehen kann, sodass die Wirksamkeit der Prozesshandlung spätestens bei Abschluss des Verfahrens feststeht. Einen solchen "innerprozessualen Vorgang" kann der Erfolg wie der Misserfolg einer eigenen oder von der anderen Partei unbedingt vollzogenen Prozesshandlung – insbesondere der Klage oder Berufung – darstellen.
Rz. 181
Anschlussberufungsbeklagter kann nur der Berufungskläger sein, nicht jedoch andere zwar in erster, nicht mehr aber in zweiter Instanz beteiligte Parteien oder Dritte oder der Streithelfer des Berufungsklägers.