Rz. 73
Einer in erster Instanz unterlegenen Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung in zweiter Instanz nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§§ 114 S. 1, 115 ZPO), stehen binnen der Berufungsfrist – bis zum letzten Tag – zwei Möglichkeiten offen: Sie kann sich entweder zunächst auf das Prozesskostenhilfeverfahren beschränken oder – unter Beachtung der diesbezüglichen Voraussetzungen – bereits Berufung einlegen und dies mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbinden, wobei die Prozesskostenhilfe dabei auch getrennt von der Berufungseinlegung noch bis zum letzten Tag der Begründungsfrist beantragt werden kann. Für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst kann keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
a) Einlegung der Berufung und damit verbundenes Prozesskostenhilfegesuch
Rz. 74
Die unmittelbare Einlegung der Berufung ist allerdings mit dem Nachteil verbunden, dass bei Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs die anfallenden Kosten – insbesondere auch bei einer Berufungsrücknahme (§ 516 Abs. 3 S. 1 ZPO) – von der Partei selbst aufzubringen sind. Im – parallel dazu betriebenen – Prozesskostenhilfeverfahren findet eine Kostenerstattung nicht statt (§ 118 Abs. 1 S. 4 ZPO) und für dieses selbst kann grundsätzlich auch keine Prozesskostenhilfe gewährt werden.
Rz. 75
Zudem bedarf es der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO), wenn – wie regelmäßig – über den Prozesskostenhilfeantrag nicht vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist entschieden wird und die Partei ihre Berufung deshalb nicht rechtzeitig begründen konnte. Anträge auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sind nach Einlegung der Berufung bis zur Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch allerdings nicht erforderlich.
Rz. 76
Zu beachten ist bei unbedingter Berufungseinlegung durch den Prozessbevollmächtigten einer Prozesskostenhilfe beantragenden Partei ferner, dass die Mittellosigkeit einer Partei nur dann einen die Wiedereinsetzung tragenden Entschuldigungsgrund (§ 233 ZPO) darstellt, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist lediglich dann der Fall, wenn sich die Partei infolge der Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels zu beauftragen. Ist die bedürftige Partei bereits anwaltlich vertreten und legt ihr Rechtsanwalt uneingeschränkt Berufung ein, so muss sie – wozu ihr durch das Berufungsgericht Gelegenheit zu geben ist – glaubhaft machen, dass der Anwalt nicht bereit war, die wirksam eingelegte Berufung im Weiteren ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe ordnungsgemäß und insbesondere fristgerecht zu begründen. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mit dem Prozesskostenhilfegesuch bereits einen Entwurf der Berufungsbegründung vorgelegt hat, steht der Glaubhaftmachung der Kausalität der Mittellosigkeit nicht zwingend entgegen.
Rz. 77
Ebenso wenig kann, wenn der Bevollmächtigte eindeutig erklärt hat, die Begründung der Berufung sei von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig, allein aus dem Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist geschlossen werden, dass er die Berufungsbegründung im Falle der Verlängerung der Frist abweichend vom zuvor mitgeteilten Umfang seines Mandats auch ohne Bewilligung der Prozesskostenhilfe fristgerecht einreichen wird. Wenn der Rechtsanwalt die versäumten Prozesshandlungen – Einlegung und/oder Begründung der Berufung – erst nach Ablauf der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist nachholt, ist – solange sich nichts Gegenteiliges ergibt – davon auszugehen, dass die Mittellosigkeit der Partei für die zunächst unterlassenen Prozesshandlungen und sodann für ihre Verspätung ursächlich geworden ist, wobei es einer Darlegung der Gründe, weshalb das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Frist eingelegt und/oder begründet werden konnte, nicht bedarf.
Rz. 78
Eine an die Gewährung von Prozesskostenhilfe geknüpfte – sprich: bedingte – Berufungseinlegung ist grundsätzlich unzulässig. Sind jedoch die formalen Anforderungen an eine Berufungsschrift erfüllt, kommt eine Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlich...