Rz. 16
Bei der Entnahme der Blutprobe handelt es sich um einen in § 81a Abs. 1 S. 2 StPO besonders genannten "anderen körperlichen Eingriff". Nach § 81a Abs. 2 S. 1 StPO steht die Anordnung dieser körperlichen Untersuchung des Beschuldigten dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen zu. M.E. hält das Gesetz die Polizei an, die regelmäßig den ersten Zugriff auf den alkoholisierten Beschuldigten hat, stets den Richter anzurufen und diesen darum zu bitten, dass er die Entnahme einer Blutprobe anordnet. Sinn und Zweck des Richtervorbehaltes ist die vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Voraussetzung der Anordnung der Blutprobenentnahme sind stets hinreichende Anhaltspunkte für merkbare Alkoholbeeinflussung. Hierfür reicht insbesondere schon ein wahrnehmbarer Alkoholgeruch beim Fahrzeugführer aus. In einer neueren Entscheidung des BVerfG, in der es um die Entnahme einer Blutprobe zum Nachweis von Cannabis ging, hatte dieses den Richtervorbehalt betont und ausgeführt, die Strafverfolgungsbehörden müssten regelmäßig versuchen, zunächst eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen. Wenn die Strafverfolgungsbehörden Gefahr im Verzug annehmen und eigenständig die Entnahme einer Blutprobe anordnen, muss die Gefährdung des Untersuchungserfolges bei Zuwarten auf die richterliche Anordnung mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten dokumentiert werden, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das BVerfG verlangt effektiven Rechtsschutz gegen Maßnahmen mit schwerwiegenden Grundrechtseingriffen oder nahe liegender Willkür, wenn vor Erledigung der Maßnahme kein gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann. Das BVerfG stellte zudem klar, dass die Strafverfolgungsbehörden stets versuchen müssten, einen Richter zu erreichen. Erst wenn dies nicht gelinge, bestehe eine Anordnungskompetenz der Strafverfolgungsbehörden, allerdings eine abgestufte. Abgestuft bedeutet, dass die Anordnungskompetenz der Polizei gegenüber der Staatsanwaltschaft als nachrangig betrachtet wird. Ordnet die Polizei die Entnahme der Blutprobe an, muss die Gefahrenlage dann mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen begründet werden, die in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist.
Die Problematik wurde zwischenzeitlich von dem Gesetzgeber aufgegriffen. Durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" vom 17.8.2017 hat der Bundestag mit Wirkung vom 24.8.2017 § 81a Abs. 2 S. 2 StPO eingeführt. Abweichend von § 81a Abs. 2 S. 1 StPO bedarf die Entnahme der Blutprobe keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach §§ 315a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3 oder § 316 StGB begangen worden sind. Der Richtervorbehalt ist daher de lege lata praktisch fast komplett abgeschafft worden. Lediglich körperliche Untersuchungen und Eingriffe bedürfen auch weiterhin einer richterlichen Anordnung, soweit nicht Gefahr im Verzug anzunehmen ist.
Die Ausführungen und Muster aus der Vorauflage werden in der Neuauflage noch für die wenigen denkbaren Fälle beibehalten.
Rz. 17
In der Praxis stellt sich die Frage, was die Konsequenz ist, wenn nun die Polizei die Entnahme der Blutprobe wegen Gefahr im Verzug anordnet.
Rz. 18
Regelmäßig geht es um die Frage, ob die fehlerhafte Anordnung der Entnahme der Blutprobe zu einem strafprozessualem Beweisverwertungsverbot führt. Die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot ist nach gefestigter, vom Bundesverfassungsgericht gebilligter obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Besteht ein Beweisverwertungsverbot, folgt aus diesem, dass bestimmte Informationen und Beweisergebnisse nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertet werden dürfen.
Rz. 19
Wird der Angeklagte nur durch das unverwertbare Beweismittel belastet (was bei Alkoholdelikten im Straßenverkehr fast die Regel sein dürfte), führt dies zum Freispruch. Die Rechtsprechung zu diesem Problemkreis ist trotz eindeutiger Gesetzeslage teilweise unüberschaubar geworden und hat zu Unschärfen und Anwendungsschwierigkeiten geführt.
Rz. 20
Jedenfalls, und das wird in der Praxis vielfach anders gehandhabt, ergibt sich Gefahr im Verzug nicht schon allein aus der bloßen Tatsache des Alkoholkonsums. Anders kann man dies vielleicht sehen, wenn die festgestellte Atemalkoholkonzentration in der Nähe eines Grenzwertes liegt.
Rz. 21
Liegt hiernach ein Beweiserhebungsverbot vor, so stellt sich die Frage, ob hieraus auch zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot...