Rz. 45
Die Übergabe einer Praxis bzw. Kanzlei ist prinzipiell auch von Todes wegen möglich, wobei dies im Falle der Übergabe eines Praxis- bzw. Kanzleianteils (BGB-Gesellschaft) wesentlich einfacher ist, als die Übergabe einer Einzelanwaltskanzlei von Todes wegen. Schwerpunktmäßig soll deshalb nachfolgend auf die Übergabe eines Gesellschaftsanteils eingegangen werden.
I. Erbrechtliche testamentarische Lösung
Rz. 46
Möchte der Mitinhaber einer Praxis oder Sozietät (BGB-Gesellschaft) seine Anteile an der Gesellschaft nicht zu Lebzeiten an die nächste Generation übergeben, so kann dies auch von Todes wegen erfolgen. Denkbar sind so genannte rein gesellschaftsrechtliche Lösungen, oder aber erbrechtliche Lösungen. Dabei gilt es jedoch auch bei den erbrechtlichen Lösungen, gesellschaftsrechtliche Aspekte zu beachten; insbesondere bei der klassischen GbR, deren gesetzlicher Regelfall die Auflösung der Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters und nicht deren Fortführung ist. Die Auseinandersetzung nach dem Tod eines Gesellschafters richtet sich nach den §§ 730 ff. BGB. Der Anspruch der Erben auf das Auseinandersetzungsguthaben fällt in den Nachlass. Die "aufgelöste" Gesellschaft besteht zunächst als sogenannte Liquidationsgesellschaft fort. Mehrere Miterben erhalten den Gesellschaftsanteil an der Liquidationsgesellschaft zur gesamten Hand. Sie haben einen gemeinsamen Vertreter gemäß § 146 Abs. 1 S. 2 HGB durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen.
Rz. 47
Es ist also grundsätzlich zunächst erforderlich, dass der Gesellschaftsvertrag eine Regelung enthält, dass die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird (sog. Fortsetzungsklausel). Ferner muss der Gesellschaftsvertrag der Kanzlei bzw. Praxis eine entsprechende Regelung enthalten, der es den Erben des bisherigen Mitinhabers gestattet, in die Gesellschaft einzutreten. Im Gesellschaftsvertrag werden die Gesellschaftsanteile durch eine Nachfolgeklausel vererblich gestellt. Die vereinbarte Nachfolgeklausel muss mit der erbrechtlichen Rechtslage übereinstimmen, damit der oder die Erben unmittelbar in die Position des verstorbenen Gesellschafters einrücken können. Die Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag muss regeln, dass die Gesellschaft mit den Erben des Gesellschafters (sog. einfache Nachfolgeklausel) fortgesetzt wird. Die Erbfolge als solche indes bestimmt sich allein nach dem Erbrecht. Dies gilt auch für den Fall, dass im Gesellschaftsvertrag bereits ein bestimmter Nachfolger benannt wurde, dieser aber dann aufgrund einer letztwilligen Verfügung nicht Erbe wird. In diesem Fall wird der im Gesellschaftsvertrag Benannte nicht Erbe. Ein minderjähriger Erbe wird Gesellschafter ohne Genehmigung des Familiengerichts. Der Erwerb des Gesellschaftsanteils erfolgt jedoch haftungsbeschränkt gem. § 1629a BGB. Zu beachten ist, dass sich die Nachfolge an Gesellschaftsanteilen bürgerlichen Rechts (GbR), nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollzieht, sondern im Wege der Sondererbfolge (Singularsukzession) nach Maßgabe der Erbquoten.
Rz. 48
Darüber hinaus gilt es, die berufsspezifischen Anforderungen, welche an die Erben gestellt werden, zu erfüllen. Eine testamentarische Lösung macht freilich nämlich nur dann einen Sinn, wenn der Erbe Berufsträger ist und damit zur Ausübung des Berufs des bisherigen Gesellschafters befugt ist. Rechtsanwälten, Steuerberatern und Ärzten ist es nur gestattet, die Gesellschaft mit Berufsträgern zu führen. Treten durch die Erbfolge Erben in die Gesellschaft ein, welche nicht den Beruf des bisherigen Gesellschafters ausüben, so dürfen die verbleibenden Gesellschafter die Praxis bzw. Kanzlei nicht mit ihnen fortführen.
Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass alle testamentarisch Bedachten den gleichen Beruf des Erblassers gewählt haben. Was in einer Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts also problemlos möglich ist, ist bei GbRs, welche sich aus Freiberuflern zusammensetzen, als problematisch anzusehen.
Rz. 49
Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Nachfolgeklausel und wird ansonsten keine testamentarische oder aber keine ausreichende testamentarische Lösung getroffen, dann gilt Folgendes: Ist der Nachfolger Erbe, so tritt er gemäß § 1922 BGB vollständig in die Rechte und Pflichten des verstorbenen Gesellschafters ein. Bei einer Erbenmehrheit geht die Gesellschafterstellung nicht als Ganzes auf die Erbengemeinschaft über, sondern auf jeden Erben, im Wege der Sondererbfolge (am Nachlass vorbei). Dabei wird nach ganz herrschender Meinung der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge durchbrochen.
Rz. 50
Das Durchbrechen des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge kann dann zur Falle werden, wenn der Gesellschaftsanteil den ganz wesentlichen Anteil des Nachlasses darstellt und/oder nur einem einzelnen Erben zugewandt wird und die Gesellschaft (Praxis/Kanzlei) überschuldet ist. Denn nach wie vor ist streitig, ob dem Erben in einem solchen Fall die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses zu...