Rz. 35
Die internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO (und dem LugÜ II) wird nur von Amts wegen geprüft hinsichtlich des Bestehens einer ausschließlichen Zuständigkeit (Art. 26 Abs. 1 S. 2, 24 EuGVVO; Art. 24 S. 2, 22 LugÜ II) oder wenn die beklagte Partei am Verfahren nicht teilnimmt (Art. 28 Abs. 1 EuGVVO; Art. 26 Abs. 1 LugÜ II).
Rz. 36
Ansonsten wird das angerufene Gericht eines Mitgliedstaats zuständig, wenn sich die beklagte Partei einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen (Art. 26 EuGVVO; Art. 24 LugÜ II). Der EuGH sieht in der rügelosen Einlassung nicht lediglich einen Präklusionstatbestand, sondern vielmehr eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung, die auch einer vorherigen abweichenden Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 25 EuGVVO; Art. 23 LugÜ II; s.u. Rdn 46 ff.) vorgeht; eine solche hindert die Begründung der Zuständigkeit durch rügelose Einlassung daher nicht. Dies trifft sowohl auf Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten von Gerichten eines Mitgliedstaats als auch auf solche zugunsten von Gerichten eines Drittstaats zu. Ein – fürsorglicher – Vorbehalt der Rüge ist nicht möglich. Wenn keine der Parteien die internationale Zuständigkeit – rechtzeitig (s.u. Rdn 38) – rügt und das (zuerst) angerufene Gericht sich auch nicht von Amts wegen für unzuständig erklärt hat, führt dies dazu, dass dessen Zuständigkeit im Verhältnis zu einem später angerufenen Gericht feststeht und letzteres sich für unzuständig zu erklären hat (Art. 29 Abs. 3 EuGVVO). Sofern der Begründung einer internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung keine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit entgegensteht, kann seine internationale Zuständigkeit von dem angerufenen Gericht nicht ohne vorherige Zustellung und damit, bevor dem Beklagten die Möglichkeit zu einer rügelosen Einlassung gegeben wurde, verneint werden.
Rz. 37
Ein rügeloses Einlassen auf das Verfahren ist auch dann gegeben, wenn die beklagte Partei die Unzulässigkeit der Klage aus anderen Gründen als der fehlenden internationalen Zuständigkeit rügt oder sich (nur) in der Sache gegen die Klage wendet. Es muss also zumindest konkludent die fehlende internationale Zuständigkeit beanstandet werden. In der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit ist dabei im Zweifel auch die Rüge der internationalen Unzuständigkeit enthalten. Ob dies im Einzelfall anzunehmen ist, ist jedoch durch Auslegung der Rüge zu ermitteln. Eine Einlassung zur Hauptsache ist aber im Gegensatz zu § 39 ZPO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nicht erforderlich.
Rz. 38
Die Rüge der internationalen Unzuständigkeit kann – jedenfalls – nicht mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden, die nach innerstaatlichem Prozessrecht als erstes Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist. Nach deutschem Recht muss die Rüge damit spätestens in der Klageerwiderung erhoben werden. Die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ist – auch in Verbindung mit einem inhaltlich nicht begründeten Klageabweisungsantrag – dagegen noch keine rügelose Einlassung. Der Einspruch des Antragsgegners gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl (Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1896/2006) kann ebenfalls nicht zu einer vereinbarten Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats des Zahlungsbefehls führen; dies gilt selbst dann, wenn in dem Einspruch Vorbringen zur Sache enthalten ist. Die Rüge der mangelnden internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte soll wegen widersprüchlichen (Prozess-)Verhaltens treuwidrig und damit unbeachtlich sein, wenn der spätere Beklagte zuvor als Antragsteller ein selbständiges Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO) in Deutschland betrieben hat.
Rz. 39
Die lediglich hilfsweise Einlassung zur Sache lässt die Befugnis, sich auf die Unzuständigkeit zu berufen, bei erhobener Rüge ebenfalls nicht entfallen. Eine auf eine Aufforderung des Gerichts, zu dessen eventueller internationaler Zuständigkeit Stellung zu nehmen, unterbliebene Stellungnahme stellt keine Einlassung dar und kann nicht als stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts angesehen werden.
Rz. 40
Die internationale Zuständigkeit wird auch durch rügelose Einlassung in der Berufungsinstanz begründet.
Rz. 41
Liegen mehrere Streitgegenstände vor oder richtet sich die Klage gegen mehrere Streitgenossen auf Beklagtenseite, so ist für jeden gesondert festzustellen, ob eine rügelose Einlassung vorliegt.
Rz. 42
Eine rügelose Einlassung ist schließlich auch durch den Kläger auf eine Widerklage hin mit zuständigkeitsbegründender Wirkung möglich.
Rz. 43
Ein gerichtlicher Hinweis auf die Folgen der rügelosen Einlassung war nach der EuGVVO a.F. – anders als nach §§ 39 S. 2, 504 ZPO – nicht erforderlich und sein Unterbleiben hinderte die Begründung einer internationalen Zuständigkeit nicht. Aus welchem Grund die beklagte Partei eine entsprechende R...