Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Aktenzeichen 73 O 662/22 Die (2))

LG Würzburg (Aktenzeichen 72 O 1245/22)

 

Tenor

(Örtlich) zuständig ist das Landgericht Würzburg.

 

Gründe

I. Mit seiner zum Landgericht Ingolstadt erhobenen Klage begehrt der in dessen Bezirk wohnhafte Kläger von der in Italien ansässigen Beklagten Ersatz des Schadens, der ihm wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus dem Kauf eines gebrauchten Wohnmobils des Modells xxx entstanden sei. Er behauptet, in dem streitgegenständlichen Basisfahrzeug, dessen Herstellerin die Beklagte sei, seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut, insbesondere ein sogenanntes "Zeitfenster". Das streitgegenständliche Fahrzeug sei deshalb von einer Stilllegung oder anderweitigen staatlichen Maßnahmen bedroht.

Mit Verfügung vom 21. Juni 2022 ordnete das Landgericht Ingolstadt die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an und wies unter Berufung auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9. Februar 2022, 101 AR 173/21, auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hin. Der Kläger wohne zwar im Bezirk des angerufenen Gerichts, habe das Fahrzeug aber im Bezirk des Landgerichts Würzburg erworben, dort liege "im unionsrechtlichen Kontext" der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO.

Der Kläger erhielt Gelegenheit, sich bis zum 12. Juli 2022 zu äußern, insbesondere dazu, ob ein Verweisungsantrag gestellt werde. Die Beklagte erhielt Gelegenheit, sich binnen gleicher Frist dazu zu äußern, ob bei einem Verweisungsantrag der Klägerseite Einverständnis mit einer Verweisung des Rechtsstreits bestehe.

Der Kläger beantragte darauf mit Schriftsatz vom 11. Juli 2022, den Rechtsstreit an das Landgericht Würzburg zu verweisen. Er habe den Kaufpreis am Sitz des Verkäufers in bar bezahlt. Ort der Bezahlung und Eintritt des Vermögensschadens lägen somit "ebenfalls" am Sitz des Verkäufers. Das Landgericht Würzburg sei demnach "gemäß § 32 ZPO" örtlich zuständig. Dieser Schriftsatz wurde an die Beklagte erst zusammen mit dem Verweisungsbeschluss am 22. August 2022 herausgegeben.

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Juni 2022 ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatte, beantragte sie mit Schriftsatz vom 16. August 2022, die Klage als unbegründet abzuweisen. Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts äußerte sie sich in der Klageerwiderung nicht.

Mit Beschluss vom 19. August 2022 hat sich das Landgericht Ingolstadt für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Würzburg verwiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig. Auf Antrag des Klägers sei der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. Zwar befinde sich der Wohnort des Klägers im Bereich des Landgerichts Ingolstadt, der Sitz der Beklagten liege aber in Turin / Italien. Der Wohnort des Käufers stelle nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts keinen Erfolgsort im Sinne von Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO dar. Vielmehr handele es sich bei dem "Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs" um den Ort, an dem der Käufer des Fahrzeugs dieses erworben habe. Dieser Ort liege vorliegend im Bezirk des Landgerichts Würzburg.

Das Landgericht Würzburg hat das Verfahren mit Verfügung vom 12. September 2022 nicht übernommen und an das Landgericht Ingolstadt zurückgeleitet. Dieses habe in grob willkürlicher Weise verkannt, dass es infolge rügelosen Einlassens nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO örtlich zuständig geworden sei. Eine Einlassung im Sinne dieser Vorschrift liege vor, wenn der Beklagte die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhebe, die nach dem innerstaatlichen Recht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen sei. Dies sei regelmäßig mit Einreichung der Klageerwiderung der Fall (vgl. BGH NJW 2015, 2667). Vorliegend habe die Beklagte - trotz Hinweises des Gerichts vom 21. Juni 2022 - die fehlende örtliche Zuständigkeit weder im Schriftsatz vom 30. Juni 2022 noch im Schriftsatz vom 16. August 2022 gerügt, in dem die Beklagte ausführlich auf die Sache eingegangen sei. Damit sei das Landgericht Ingolstadt nach Art. 26 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO offensichtlich örtlich zuständig geworden. Insoweit unterscheide sich der vorliegende Fall von dem der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9. Februar 2022 zugrundeliegenden Fall, in dem die örtliche Zuständigkeit ausdrücklich gerügt worden sei.

Mit Beschluss vom 21. Oktober 2022 hat das Landgericht Ingolstadt den Rechtsstreit dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

Die Parteien hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, haben sich aber nicht mehr geäußert.

II. Auf die zulässige Vorlage ist die Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg auszusprechen.

1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der (örtlichen) Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ...

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