Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 285
Wenn eine Kündigungserklärung nicht als Kündigung zum nächst zulässigen Termin ausgelegt werden kann, ist die Kündigung zu dem angegebenen Termin unwirksam und gem. § 140 BGB in eine Kündigung zum nächsten möglichen Termin umzudeuten (vgl. BAG [5. Senat] v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409; BAG v. 18.4.1985, NZA 1986, Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 622 BGB Rn 66a; teilweise a.A. BAG v. 15.12.2005, NZA 2006, 791). Ist es der Wille des Arbeitgebers, ein Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin zu beenden, weil er annimmt, die von ihm zugrunde gelegte Kündigungsfrist sei richtig, kann zwar eine Auslegung der Kündigungserklärung zum nächst zulässigen Termin nicht erfolgen, weil der angegebene Termin dem wirklichen Willen des Arbeitgebers entspricht. Gem. § 140 BGB ist jedoch darüber hinaus festzustellen, ob Anhaltspunkte vorliegen, nach denen der Arbeitgeber bei Kenntnis der fehlerhaften Kündigungsfrist und der daraus folgenden Unwirksamkeit der Kündigung dennoch an dieser – unwirksamen – Kündigung festgehalten oder stattdessen seine Kündigung – wirksam – zum nächsten Termin ausgesprochen hätte. Regelmäßig wird von Letzterem auszugehen sein. Es wird normalerweise kein Grund dafür ersichtlich sein, dass der Arbeitgeber es vorzieht, einen Arbeitnehmer, den er mit zu kurzer Frist gekündigt hat, weiter zu beschäftigen, als die Kündigung zum nächst zulässigen Termin wirken zu lassen (Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 622 BGB Rn 66b).
Die Differenzierung von Umdeutung und Auslegung hat erhebliche Bedeutung. Eine Umdeutung kann nur dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung wegen der fehlerhaften Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 KSchG angegriffen hat und die Fiktionswirkung des § 7 KSchG nicht bereits eingetreten ist (BAG [5. Senat] v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409). Abweichend hiervon ist der 2. Senat des BAG jedoch der Auffassung, dass ein Arbeitnehmer, der lediglich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangt, nicht die Unwirksamkeit der Kündigung als solche festgestellt haben wolle, sondern dass er gerade von deren Wirksamkeit ausgehe; einem solchen Arbeitnehmer ginge es lediglich um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt (BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 215/05, NZA 2006, 1405, 1406). Der 2. Senat begründet seine Ansicht in erster Linie mit dem Wortlaut des § 4 KSchG. Die in § 4 KSchG vorgegebene Formulierung des Feststellungsantrags gehe dahin, dass das Arbeitsverhältnis "nicht aufgelöst" sei. Die "Nichtauflösung" des Arbeitsverhältnisses entspreche aber nicht dem Klageziel desjenigen, der die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist rüge. Er sei ganz im Gegenteil der Auffassung, das Arbeitsverhältnis werde durch die Kündigung sehr wohl aufgelöst, nur zu einem späteren als dem vom Arbeitgeber zugrunde gelegten Zeitpunkt (BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 215/05, NZA 2006, 1405, 1406). Dem lässt sich entgegenhalten, dass eine Kündigungserklärung nicht in ein "Ob" und "Wann" aufgespaltet werden kann, da der Beendigungszeitpunkt notwendiger Bestandteil einer Kündigung ist (Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 622 BGB Rn 66c). Auch in dieser Hinsicht bestehen also rechtliche Unwägbarkeiten.
Rz. 286
Hinweis
Um in den o.g. Fällen Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden, ist es für diejenigen Fälle, in denen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall gewollt ist, aus Arbeitgebersicht dringend zu empfehlen, in das Kündigungsschreiben einen Hinweis auf die anwendbare Kündigungsfrist sowie die Formulierung
"… hilfsweise zum nächstmöglichen Termin"
aufzunehmen.
Um aus Arbeitnehmersicht rechtliche Unwägbarkeiten zu vermeiden, ist regelmäßig eine Klage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG zu empfehlen.
Kündigt der Arbeitgeber mit einer längeren Frist als erforderlich, wählt er dabei jedoch nicht den Monatsletzten als Kündigungstermin, sondern spricht er die Kündigung zu einem Zeitpunkt im laufenden Kalendermonat aus, soll eine solche Kündigung nach Auffassung des BAG als zum Monatsletzten erklärt ausgelegt werden können (BAG v. 21.8.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29).