Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 167
Das Vorliegen der Zustimmung des Betriebsrates in den Fällen des § 103 BetrVG ist neben den Voraussetzungen des § 626 BGB Wirksamkeitsvoraussetzung für eine außerordentliche Kündigung. Auch eine nachträglich erteilte Zustimmung seitens des Betriebsrates heilt die Unwirksamkeit einer schon ausgesprochenen Kündigung nicht (BAG v. 22.2.1972, AP Nr. 1 zu § 15 BBiG; GK-BetrVG/Kraft, § 103 Rn 33; DKKW/Kittner, BetrVG, § 103 Rn 28; a.A. Richardi/Thüsing, BetrVG, § 103 Rn 56).
Rz. 168
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat rechtzeitig unter genauer Angabe der Kündigungsgründe wie nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Ist die Unterrichtung unzureichend, kann die Kündigung keine Wirksamkeit entfalten (BAG v. 5.2.1981, AP Nr. 1 zu § 72 LPVG/NW). Die Unterrichtung hat im eigenen Interesse des Arbeitgebers so rechtzeitig stattzufinden, dass der Arbeitgeber bei Verweigerung der Zustimmung noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB deren Ersetzung durch das ArbG beantragen kann (BAG v. 22.8.1974, AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG; Fitting, BetrVG, § 103 Rn 33).
Rz. 169
§ 103 BetrVG sieht keine besondere Frist für die Äußerung des Betriebsrates vor. Jedoch ist die Drei-Tages-Frist des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG analog anwendbar. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Frist von drei Kalendertagen, nicht von Werk- oder Arbeitstagen.
Rz. 170
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch Folgendes: § 102 Abs. 2 S. 1 und 2 BetrVG fingieren die Zustimmung des Betriebsrates zu einer ordentlichen Kündigung, wenn dieser seine Bedenken dem Arbeitgeber ggü. nicht innerhalb einer Woche schriftlich mitteilt. Im Gegensatz dazu enthält jedoch § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG nicht die Fiktion der Zustimmung zur Kündigung, wenn sich der Betriebsrat innerhalb der Drei-Tages-Frist für eine außerordentliche Kündigung nicht äußert. Das Schweigen des Betriebsrates im Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG führt infolgedessen ebenfalls nicht zur Zustimmung (BAG v. 18.8.1977, AP BetrVG 1972 § 103, Nr. 10; KR/Etzel, § 103 BetrVG Rn 94; Fitting, § 103 Rn 33; DKKW/Kittner/Bachner, § 103 Rn 31).
Rz. 171
Hinweis
Der Arbeitgeber sollte dem Betriebsrat infolgedessen für dessen Zustimmung unter Verweis auf die analoge Anwendbarkeit des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG eine Frist von drei Tagen setzen, den Betriebsrat aber darauf hinweisen, dass dessen Schweigen die Zustimmung aber nicht fingiert (BAG v. 18.9.1977, AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972).
Rz. 172
4Der Betriebsrat hat aber die Möglichkeit, nachträglich, also nach Ablauf der 3-Tages-Frist, seine Zustimmung zu erklären. Falls der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Zustimmungserteilung bereits ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet hat, wird dieses gegenstandslos und ist einzustellen (BAG v. 10.12.1992, AP ArbGG 1979, § 87, Nr. 4; BAG v. 23.6.1993, AP ArbGG 1979, § 83a, Nr. 2). Hat der Arbeitgeber jedoch bereits vor der Zustimmung die Kündigung ausgesprochen, ist diese unheilbar nichtig (vgl. Rdn 167).
Rz. 173
Die Beschlussfassung kann der Betriebsrat auf den Betriebsausschuss nach § 27 BetrVG oder auch auf einen besonderen Ausschuss nach § 28 BetrVG übertragen (BAG v. 17.3.2005, AP Nr. 4 zu § 27 BetrVG 1972; Fitting, BVerfG, § 103 Rn 32; GK-BetrVG/Raab, § 103 Rn 49).
Rz. 174
Soll der einköpfige Betriebsrat selbst entlassen werden und ist kein Ersatzmitglied vorhanden, welches die Zustimmung erteilen könnte, muss der Arbeitgeber in analoger Anwendung des § 103 Abs. 2 BetrVG die Ersetzung der Zustimmung durch das ArbG beantragen (BAG v. 16.12.1982, AP Nr. 13 zu § 15 KSchG 1969, Fitting, BetrVG, § 103 Rn 31).