Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 68
Der räumliche Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes richtet sich nach dem Territorialitätsprinzip. Das Gesetz gilt für alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Betriebe unabhängig vom Vertragsstatut der dort beschäftigten Arbeitnehmer. Das Anhörungsrecht des Betriebsrates gilt in allen Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, unabhängig von der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Auch in Tendenzbetrieben muss der Betriebsrat angehört werden (BAG v. 7.11.1975, AP Nr. 4 zu § 118 BetrVG 1972).
Rz. 69
Keine Anwendung findet das Anhörungsrecht des Betriebsrates nach § 102 BetrVG auf die Kündigung leitender Angestellter. Hier ist der Betriebsrat vielmehr nach § 105 BetrVG lediglich zu informieren. Eine Verletzung dieser Informationspflicht hat allerdings auf die Wirksamkeit der Kündigung keinen Einfluss. Bei einem Arbeitnehmer, dem erst nach Ablauf der Probezeit die Funktion eines leitenden Angestellten zukommen soll, bleibt das Mitbestimmungsrecht nach § 102 BetrVG bis zu diesem Zeitpunkt bestehen (BAG v. 25.3.1976, AP Nr. 13 zu § 5 BetrVG 1972).
Für leitende Angestellte ist eine Anhörung grds. nicht erforderlich. Gem. § 105 BetrVG ist dem Betriebsrat die Kündigung eines leitenden Angestellten lediglich mitzuteilen.
Hinweis
Es empfiehlt sich in der Praxis dennoch, den Betriebsrat vorsorglich gem. § 102 BetrVG anzuhören, da die Einordnung eines Arbeitnehmers als leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG häufig problematisch ist.
Die Information des Betriebsrates nach § 105 BetrVG über die Entlassung eines leitenden Angestellten kann jedenfalls nicht ohne Weiteres in eine Anhörung nach § 102 BetrVG umgedeutet werden (BAG v. 19.8.1975, AP Nr. 1 zu § 105 BetrVG 1972).
Rz. 70
Ob das BetrVG auch Arbeitnehmer deutscher Betriebe erfasst, die im Ausland tätig sind, ist eine Frage seines persönlichen Geltungsbereichs. Erfasst werden nur solche Mitarbeiter, bei deren Tätigkeit es sich um eine "Ausstrahlung" des Inlandsbetriebs handelt. Erforderlich ist eine Beziehung zum Inlandsbetrieb, die es rechtfertigt, die Auslandstätigkeit der im Inland entfalteten Betriebstätigkeit zuzurechnen (st. Rspr., BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13; BAG v. 21.8.2007 – 3 AZR 269/06, Rn 17, BAGE 124, 22; BAG v. 20.2.2001 – 1 ABR 30/00, zu B II 2 der Gründe). Dies ist bei einer ständigen Beschäftigung im Ausland regelmäßig nicht der Fall (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13). Demzufolge findet das BetrVG keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die ausschließlich für eine ausländische Baustelle eingestellt wurden (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13; vgl. auch BAG v. 21.8.2007 – 3 AZR 269/06, Rn 17; BAG v. 30.4.1987 – 2 AZR 192/86, zu II 2 b der Gründe, BAGE 55, 236). Dann ist der Beschäftigte keiner inländischen Betriebsorganisation zugeordnet, wobei ohne Bedeutung ist, ob die jeweilige Betriebsstätte im Ausland die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1, § 4 BetrVG erfüllt (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13).
Hingegen besteht eine Zuordnung zu einer (inländischen) Arbeitsorganisation, wenn der Arbeitnehmer in diese eingegliedert ist. Hierfür ist kennzeichnend, dass er hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Inhalt der übernommenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht von Personen unterliegt, die in der im Inland gelegenen Betriebsstätte tätig sind (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13). Dies gilt auch im Falle einer Auslandstätigkeit (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13; vgl. auch Herfs-Röttgen, NZA 2018, 150, 151). Der inländische Arbeitgeber muss gegenüber dem im Ausland tätigen Arbeitnehmer eine betriebsverfassungsrechtlich relevante (und sei es eine partielle) Arbeitgeberstellung tatsächlich eingenommen haben (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13; BAG v. 5.12.2012 – 7 ABR 17/11, Rn 23).
Ein Inlandsbezug kann sich daher daraus ergeben, dass das Direktionsrecht gegenüber dem im Ausland tätigen Arbeitnehmer vom inländischen Betrieb ausgeübt wird (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13; BAG v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, zu II 4 der Gründe). Ebenso kann eine zuvor bestehende Zugehörigkeit zu einem inländischen Betrieb bei Bestehen eines dem Arbeitgeber vorbehaltenen Rückrufrechts erhalten bleiben, sofern es praktische Bedeutung hat (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13, BAG v. 20.2.2001 – 1 ABR 30/00, zu B II 2 der Gründe). Dagegen reicht es regelmäßig nicht aus, dass dem Inlandsbetrieb (nur) die Personalverwaltung obliegt (BAG v. 24.5.2018 – 2 AZR 54/18, Rn 13; BAG v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, zu II 4 der Gründe; Reiter, NZA-Beilage 2014, 22, 27 f.).