Dr. iur. Berthold Hilderink
A. Kündigungserklärung
I. Begriff und beteiligte Personen
1. Begriff
Rz. 1
Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft entweder sofort (außerordentliche Kündigung) oder nach Ablauf einer Kündigungsfrist (ordentliche Kündigung) beendet werden soll (KR/Becker, § 1 KSchG Rn 95 m.w.N.).
2. Beteiligte Personen
Rz. 2
Grds. kann jede Vertragspartei die Kündigung erklären. Bei Minderjährigkeit einer Vertragspartei muss die Kündigung durch den gesetzlichen Vertreter erfolgen, es sei denn, der Minderjährige ist vom gesetzlichen Vertreter ermächtigt worden, in Dienst oder Arbeit zu treten. Nach § 113 BGB ist der Minderjährige dann für Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, die die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen.
Rz. 3
Die Kündigung bedarf keiner Annahme. Sie wird von einer Vertragspartei ggü. der anderen Vertragspartei oder deren Vertreterin erklärt und mit Zugang wirksam (§ 130 BGB).
II. Abgrenzung zu anderen Erklärungen
Rz. 4
Von der Kündigungserklärung zu unterscheiden ist das Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Der Aufhebungsvertrag setzt im Gegensatz zum einseitigen Gestaltungsmittel der Kündigung zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, die die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln wollen.
III. Inhalt/Bedingungsfeindlichkeit
1. Klarheit
Rz. 5
Kündigungserklärungen müssen klar und eindeutig sein (BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11). Aus dem Gesamtzusammenhang muss sich ergeben, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewollt ist, wobei das Wort Kündigung nicht verwandt werden muss (BAG v. 19.1.1956, BB 1956, 210). Insb. muss sich ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, Rn 14) und ob dies fristlos oder fristgerecht geschehen soll (BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, Rn 14; BAG v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05, Rn 24, BAG v. 13.1.1982, BD 1982, 2577). Unklarheiten gehen zulasten des Kündigenden (BAG v. 11.6.1959, DB 1959, 892). Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss. Zu würdigen sind alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, Rn 14; BAG v. 5.2.2009 – 6 AZR 151/08, Rn 30; BAGE 129, 265).
2. Bedingungsfeindlichkeit der Kündigung
Rz. 6
Die Kündigung ist bedingungsfeindlich (BAG v. 15.3.2001 – 2 AZR 705/99, NZA 2001, 1070). Eine bedingte Kündigung macht die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung von dem Eintritt eines bestimmten Umstandes abhängig. Wenn es sich dabei um Umstände handelt, die den Kündigungsempfänger im Unklaren über die Wirksamkeit der Kündigung oder den Lauf der Kündigungsfrist lassen, ist die Kündigung unwirksam.
Rz. 7
Unzulässig ist daher bspw. eine Kündigung unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer seine Leistung nicht verbessert oder dass keine weiteren Aufträge für den Arbeitgeber eingehen. Gleichermaßen unzulässig ist eine Kündigung, die gegenstandslos sein soll, falls ein bestimmter Auftrag erteilt wird (BAG v. 15.3.2001 – 2 AZR 705/99, NZA 2001, 1070). Unzulässig dürften daher alle Bedingungen sein, über deren Eintritt der Kündigungsempfänger Erkundigungen einholen muss.
Rz. 8
Für allgemein zulässig erachtet hingegen wird die Kündigung unter einer sog. Potestativbedingung. Eine solche liegt vor, wenn der Bedingungseintritt von einer einmalig zu treffenden Willensentscheidung des Kündigungsempfängers abhängt (BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 207/94, BB 1995, 364 = NZA 1995, 308; BAG v. 28.4.1994, BB 1994, 1643 = DB 1994, 1730), wenn sich also der Gekündigte im Zeitpunkt der Kündigung sofort entschließen kann, ob er die Bedingung erfüllen will oder nicht. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Arbeitnehmer unter der Bedingung kündigt, dass ihm keine Lohnerhöhung gewährt wird oder der Arbeitgeber unter der Bedingung kündigt, dass der Arbeitnehmer nicht in die Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen einwilligt. Wichtigster Anwendungsfall für eine Kündigung unter einer Potestativbedingung ist damit in der Praxis die sog. Änderungskündigung (siehe § 25 Rdn 1 ff.).
3. Sog. "vorsorgliche" Kündigung
Rz. 9
Unter dem Begriff der "vorsorglichen" Kündigung werden in der Literatur verschiedene Gestaltungsvarianten diskutiert.
Rz. 10
Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht liegt eine "vorsorgliche" Kündigung u.a. dann vor, wenn sich der Kündigende vorbehält, die Kündigung ggf. zurückzunehmen (Staudinger/Neumann, Vorb. zu §§ 620 ff. BGB Rn 60; KR/Rost, § 2 KSchG Rn 54; Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, Grundlagen D, Rn 17). Eine solche Kündigung ist als unbedingte Kündigung zu qualifizieren. Der Vorbehalt der Rücknahme ist zum einen unverbindlich, zum anderen ist die Rücknahme einer Kündigung nach allgemeinen Grundsätzen auch nicht möglich.
Hinweis
Der Arbeitnehmer muss infolgedessen eine in diesem Sinne vorsorgliche Kündigung gem. § 4 KSchG durch eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen angreifen, wenn er ...