Dr. iur. Pierre Plottek, Malte Masloff
Rz. 12
Die praktische Durchsetzung der Herausgabeansprüche des Alleinerben gegen den Erbschaftsbesitzer (§ 2018 BGB), gegen den Beauftragten (§ 667 BGB) sowie gegen den Beschenkten (§ 2287 BGB; ausführlich siehe § 8) ist vor allem in tatsächlicher Hinsicht schwierig. Trotzdem bleibt dem Alleinerben oft nichts anderes übrig, als auf diese Ansprüche zurückzugreifen.
I. Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer (§ 2018 BGB)
Rz. 13
Der wirkliche Erbe hat nach § 2018 BGB einen Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer. Erbschaftsbesitzer ist gem. der Legaldefinition in § 2018 BGB derjenige, der aufgrund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts einen Nachlassgegenstand ("etwas") erlangt hat. Dem Erbschaftsbesitzer steht derjenige gleich, der die Erbschaft von dem Erbschaftsbesitzer durch Vertrag erworben hat (§ 2030 BGB). Denn der Erbschaftserwerber kann sich nicht auf einen gutgläubigen Erwerb der Erbschaft vom Erbschaftsbesitzer berufen.
Der Herausgabeanspruch erstreckt sich auch auf Surrogate, Nutzungen und Früchte (§§ 2019, 2020 BGB). Damit stellt sich der Herausgabeanspruch nach § 2018 BGB als einheitlicher erbrechtlicher Gesamtanspruch dar, der es dem Erben ermöglichen soll, einfach an den Nachlass zu kommen; der Erbe muss lediglich seine Erbenstellung und den Erbschaftsbesitz des Beklagten darlegen und beweisen (siehe auch Rdn 22). Der Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Erbschaftsbesitzer wie ein Erbe auftritt. Ab diesem Zeitpunkt wird der Anspruch auch fällig.
1. Anspruchsinhaber
Rz. 14
Aktivlegitimiert ist der wahre Erbe, auch der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls, danach der Nacherbe (§ 2139 BGB). Den Anspruch können auch der Erbteilskäufer (§§ 2033, 2036 BGB) sowie Nachlassgläubiger geltend machen, die den Erbteil gepfändet haben. Ferner können auch Testamentsvollstrecker (§§ 2211 f. BGB), Nachlassinsolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) oder der Nachlassverwalter (§ 1984 BGB) den Erbschaftsanspruch geltend machen. Dagegen steht der Anspruch dem Nachlasspfleger nicht zu, der allerdings aus § 1960 BGB vorgehen kann. Ein Miterbe des ungeteilten Nachlasses kann lediglich Herausgabe an die Erbengemeinschaft bzw. Hinterlegung für diese verlangen.
2. Anspruchsgegner
Rz. 15
Passivlegitimiert ist gem. § 2018 BGB der Erbschaftsbesitzer. Erbschaftsbesitzer ist, wer sich subjektiv ein ihm nicht zustehendes Erbrecht anmaßt. Es ist insofern zu beachten, dass es nicht ausreicht, dass der Erbschaftsbesitzer einen Nachlassgegenstand in Besitz genommen hat. Vielmehr ist eine Berufung auf ein vermeintliches Erbrecht notwendig. Es ist nicht erforderlich, dass ein Nachlassgegenstand erst nach dem Erbfall in den Besitz des Erbschaftsbesitzers kommt. Daher kommt auch ein Mieter oder Verwahrer als Erbschaftsbesitzer in Betracht. Der Miterbe, der sich die Stellung eines Alleinerben anmaßt, ist ebenfalls Erbschaftsbesitzer bzgl. des ihm nicht zustehenden Erbteils. Ferner sind der Erbschaftserwerber und der Erbe des Erbschaftsbesitzers passivlegitimiert. Insoweit kommt es darauf an, dass der ursprüngliche Erbschaftsbesitzer sich als Nichtberechtigter ein ihm nicht zustehendes Erbrecht angemaßt hat, das er an den Erwerber/seinen Erben weitergegeben hat.
Beruft sich der Besitzer auf andere Anspruchsgrundlagen für seinen Besitz – etwa auf einen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb vom Erblasser, eine Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB) oder auf sonstige dingliche Rechte – oder hat er verbotene Eigenmacht geübt, ist er nicht Erbschaftsbesitzer im tatbestandlichen Sinne des § 2018 BGB. In der bloßen Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten oder der Führung erbrechtlicher Geschäfte ist die Anmaßung fremden Rechts ebenfalls nicht zu sehen. Nachlass- und Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger üben ihr Amt aus und maßen sich deswegen kein Erbrecht an. Hier ist der Erbe jeweils auf die Einzelansprüche, insbesondere auf dingliche und bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche aus §§ 985, 861, 1007, 812 BGB sowie bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten auf Schadensersatzansprüche aus Deliktrecht, verwiesen.
Wegen der Sondernorm des § 1959 BGB ist auch der ausschlagende Erbe (vorläufiger Erbe) nicht Erbschaftsbesitzer. Im Fall der Vor-/Nacherbschaft ist schließlich auch der Vorerbe, selbst mit Eintritt des Nacherbfalls, nicht passivlegitimiert.
3. Anspruchsinhalt
Rz. 16
Der Erbschaftsanspruch richtet sich auf die Herausgabe des zu Unrecht in Besitz genommenen Nachlassgegenstandes. Dies kann jeder Vermögensvorteil sein, der unmittelbar aus dem Nachlass stammt oder mit Nachlassvermögen erworben wurde. Erfasst werden sämtliche körperlichen Gegenstände; auf die Besitzart – Eigen- oder Fremdb...