Dr. iur. Pierre Plottek, Malte Masloff
A. Allgemeines
Rz. 1
Der Alleinerbe im erbrechtlichen Mandat hat insbesondere im Bereich der Feststellung des Umfanges des Nachlasses, der Beschaffung von Nachlassgegenständen sowie der Frage des Bestandes von Vollmachten des Erblassers Beratungsbedarf. Hier sollen daher die Auskunfts- und Herausgabeansprüche des Alleinerben im Vordergrund stehen sowie ein Überblick über Vollmachten des Erblassers, einschließlich Widerrufsmöglichkeiten durch den Alleinerben, gegeben werden.
B. Auskunftsansprüche des Alleinerben
Rz. 2
Damit der Alleinerbe sein Erbrecht gegenüber Dritten durchsetzen kann, benötigt er bestimmte Informationen über die Nachlassgegenstände (§ 253 Abs. 2 ZPO). Diesem Informationsbedürfnis wird durch einzelne Auskunftsansprüche Rechnung getragen.
I. Überblick "Gesetzliche Auskunftsansprüche"
Rz. 3
Im BGB und den Prozessordnungen findet sich eine Vielzahl von Auskunftsansprüchen. Die folgende Übersicht stellt die in der Praxis relevanten gesetzlichen Auskunftsansprüche dar:
Anspruchsgegner |
Anspruchsinhalt & Besonderheiten |
Relevante Norm |
Bank (des Erblassers) |
Alleinerbe hat (auch bei angeordneter Testamentsvollstreckung) alle Auskunftsrechte des Erblassers, z.B. Kontenbestand im Zeitpunkt des Erbfalls, einschließlich Gemeinschaftskonten und Wertpapierdepots, Daueraufträge/Lastschriften, Vorhandensein eines Schließfaches, Umfang von Kontovollmachten, Abschluss von Verträgen zugunsten Dritter (auf den Todesfall). § 257 HGB verpflichtet die Bank zur Aufbewahrung von Kontounterlagen für sechs Jahre. |
§§ 675, 666 BGB |
Beauftragte/Bevollmächtigte (des Erblassers) |
Auskunft über Geschäftsführung |
§§ 666 f., 681 BGB |
Erbe, vorläufiger |
Bestand und Verbleib von Nachlassgegenständen |
§ 1959 BGB |
Erbschaftsbesitzer und Besitzer (und je dessen Erben, str.) |
Bestand und Verbleib der Erbschaft und von Nachlassgegenständen und deren Surrogate (§ 2019 BGB) sowie Nutzungen und Früchte (§ 2020 BGB) durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses. Nicht geschuldet sind Angaben über Werte, Schulden oder Schenkungen. Erbschaftsbesitzererben haben eine Informationsbeschaffungspflicht. Bei Geschäftsführungsmaßnahmen durch den (Erbschafts-)Besitzer besteht auch eine Rechenschaftspflicht nach §§ 681, 666 BGB. |
§ 2027 Abs. 1 u. 2 BGB i.V.m. §§ 260, 261 BGB Zuständiges Gericht: § 411 FamFG |
Erwerber (vom Erbschaftsbesitzer) |
Bestand und Verbleib von Nachlassgegenständen |
§§ 2030, 2027 BGB |
Familiengericht |
Akteneinsicht betr. Rechnungslegung durch Pfleger eines Kindes |
§§ 1888, 1873, 1872 BGB |
Familiengericht |
Akteneinsicht in Nachlass- und Betreuungsakten, einschl. Rechnungslegung durch Vormund |
§§ 1888, 1873, 1872 BGB u. § 13 FamFG |
Grundbuchamt |
Einsicht in das Grundbuch |
§ 12 GBO |
Handelsregister |
Einsicht in das Handelsregister und Recht auf Abschrift |
§ 9 Abs. 1 HGB |
Hausgenossen (des Erblassers) |
Hausgenossen sind z.B. Angehörige, Hausangestellte oder Mitbewohner (weite Auslegung nach räumlicher und persönlicher Beziehung). Bestand und Verbleib von Nachlassgegenständen, Information, ob Surrogate für verschwundene Gegenstände in den Nachlass gelangt sind sowie etwaige Geschäftsführungsmaßnahmen sind mitzuteilen. Eine Nachforschungspflicht besteht nicht. |
§ 2028 BGB |
Nachlassgericht |
Akteneinsicht betr. Nachlassakten |
§ 13 FamFG |
Nachlassverwalter |
Nachlassbestand und Angaben zur Amtsführung |
§§ 1888, 1872, 1975, 1915 BGB |
Scheinerben |
Bestand und Verbleib von Nachlassgegenständen |
§ 2362 BGB |
Testamentsvollstrecker |
Nachlassbestand und Angaben zur Amtsführung |
§§ 2218, 666 BGB |
II. Überblick "Auskunftsansprüche aus Treu und Glauben"
Rz. 4
Die gesetzlichen Auskunftsansprüche konkretisieren letztlich § 242 BGB, sodass ein Rückgriff auf Treu und Glauben zur Begründung eines Auskunftsanspruches die Ausnahme bleiben muss. Der BGH hält jedoch in den Fällen, in denen ein Recht auf Auskunft gegenüber dem Verpflichteten die Rechtsverfolgung in hohem Masse erleichtert oder ermöglicht, nach Treu und Glauben einen Auskunftsanspruch für möglich. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestand und Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und der Verpflichtete in der Lage ist, eine Auskunft unschwer zu erteilen. Dabei soll der Auskunftsanspruch nur Nebenpflicht sein, sodass Voraussetzung immer auch ein erbrechtlicher Hauptanspruch gegen den Verpflichteten sein muss. Folgende Konstellationen sind in der Rspr. anerkannt:
Anspruchsgegner |
Anspruchsinhalt & Besonderheiten |
Pflichtteilsberechtigter |
▪ |
Vorempfänge wegen Anrechnung und Ergänzungspflichtteil (§ 2315 BGB) |
|
Pflichtteilsberechtigter Abkömmling |
▪ |
Die Umverteilung der Höhe der einzelnen Pflichtteilsansprüche zwischen den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen (§ 2316 BGB) kann ausnahmsweise zu einer Entlastung des – nicht pflichtteilsberechtigten – Erben führen |
▪ |
Voraussetzung für die Entlastung: Wegf... | |