Rz. 59
Mit Unternehmerentscheidung ist die Organisationsentscheidung gemeint, deren praktischer Umsetzung gleichsam zwingend die Kündigungsentscheidung und der wiederum der Kündigungsausspruch folgt. So liegt eine derartige Organisationsentscheidung z.B. darin, dass der Unternehmer sich dazu entschließt, (nur) die IT-Abteilung zu schließen und diese Aufgaben auf ein Fremdunternehmen zu übertragen. Folge dieser Organisationsentscheidung ist, dass den beschäftigten Fach- und Führungskräften gekündigt und ein freier Arbeitsplatz in der Verwaltung mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Verwaltung der IT-Abteilung besetzt wird. Rspr. und Lit. gehen davon aus, dass eine betriebsbedingte Kündigung immer auf einer derartigen unternehmerischen Entscheidung beruht. Das BAG versteht hierunter, die Bestimmung der Unternehmenspolitik, die der Geschäftsführung zugrunde liegt. Die Kündigung selbst ist nach der Rspr. des BAG keine unternehmerische Entscheidung in diesem Sinn (vgl. dazu Rdn 77).
Rz. 60
Der freien Unternehmerentscheidung in Unternehmen der Privatwirtschaft entspricht im öffentlichen Dienst die Freiheit der Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers bzw. des Gesetzgebers. Der öffentliche Arbeitgeber bzw. der Gesetzgeber kann frei darüber bestimmen, welche Aufgaben mit welchen Haushaltsmitteln erledigt werden sollen. Er legt durch Ausführung des Stellenplanes fest, mit welchen und mit wie vielen Personen die Aufgaben erledigt werden sollen. So kann das betriebliche Erfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung darin liegen, dass in einem Haushaltsplan eine konkrete Stelle gestrichen oder ein so genannter kw-Vermerk angebracht wird.
Rz. 61
Die Praxis des Rechtsanwalts sieht häufig anders aus. Das Unternehmen kommt typischerweise mit der Vorstellung, Personalkosten zu reduzieren, einen bestimmten Prozentsatz der Arbeitsverhältnisse zu beenden, aus einer bestimmten Abteilung die Hälfte der Mitarbeiter zu entlassen, eine bestimmte Anzahl von Stellen abzubauen oder – das ist wohl der häufigste Fall – einen bestimmten Arbeitnehmer zu entlassen. Regelmäßig wird es zunächst die Aufgabe des Rechtsanwalts sein, die unternehmerischen Vorstellungen als gerichtlich verwertbare Organisationsentscheidung zu fixieren. Diese sollte dann in der gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Weise beschlossen werden. Nur dann lässt sich unmissverständlich vortragen, wer wann welche unternehmerische Entscheidung getroffen hat. Nach richtiger Auffassung kann es im Fall der abgeschlossenen Organisationsänderung nicht darauf ankommen, wer genau wann vorher eine Organisationsentscheidung getroffen hat. Aus Gründen der Darlegungs- und Beweislast sowie aus taktischen Gründen ist es dennoch generell sinnvoll, einen schriftlichen Gesellschafter-, Geschäftsführer- oder Vorstandsbeschluss über die Organisationsentscheidung im Kündigungsschutzprozess vorzulegen. In der Praxis ist eine Beweiserhebung über einen schriftlichen Beschluss selten. Dieser kann wie folgt lauten:
Rz. 62
Formulierungsbeispiel
Gesellschafterbeschluss
Unter Verzicht auf jegliche Form- und Ladungsvorschriften treten die Gesellschafter der Firma (…), Herr (…) und Frau (…) zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung zusammen. Es wird folgendes beschlossen: Die technische Abteilung für den Fuhrpark wird mit Wirkung zum (…) geschlossen. Die Wartung und Instandhaltung des Fuhrparks wird zukünftig durch Vertragswerkstätten oder sonstige Fremdfirmen erbracht.
Rz. 63
Formulierungsbeispiel
Personalangelegenheiten
Die Tätigkeiten im Bereich Projektleitung sollen ab (…) nur noch durch jeweils einen Projektleiter für die Bereiche (…) und (…) übernommen werden. Die anderen Stellen werden gestrichen. Neueinstellungen in diesen Funktionen werden bis zur Verbesserung der Auftragslage nicht vorgenommen.
Rz. 64
Formulierungsbeispiel
Gesellschafterversammlung
Die Gesellschafter der (…) beschließen, dass mit Wirkung zum (…) (möglichst Zeitpunkt des Ablaufes der Kündigungsfrist) sämtliche Eingaben in das (…)-System (…) dergestalt durchgeführt werden müssen, dass die Belege von der jeweiligen Sachbearbeiterin oder dem jeweiligen Sachbearbeiter buchhalterisch vorbereitet, kontiert, direkt in das (…)-System eingegeben und die Konten dann unmittelbar abgestimmt werden. Diese Bearbeitungsschritte sollen nur noch vollständig von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter in einem Arbeitsgang ausgeführt werden. Zur Qualitätssicherung dieser Aufgaben werden nur noch Arbeitnehmer eingesetzt, die mindestens ausgebildete (…) sind.
Rz. 65
Praxishinweis
In den Fällen, in denen die Organisationsentscheidung durch den alleinvertretungsberechtigten oder durch mehrere allein- oder gesamtvertretungsberechtigte GmbH-Geschäftsführer getroffen wird, kommt ein Zeugenbeweis nicht in Betracht, da der bzw. die Geschäftsführer Partei des Kündigungsrechtsstreits sind. Es ist daher sinnvoll, zunächst ein "Führungskräfte-Treffen" einzuberufen, in dem die beabsichtigte Organisationsentscheidung disk...