Rz. 105
Nach § 1 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 KSchG ist die Kündigung sozialwidrig, wenn die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt hat. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine beiden Parteien objektiv mögliche und zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen anbieten muss. Insoweit trifft den Arbeitgeber die Initiativlast. Er muss aber keine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitnehmer suchen. Er kann gleich eine Änderungskündigung erklären. Ein Änderungsangebot bzw. eine Änderungskündigung kann nur dann unterbleiben, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte, ein derartiges Angebot vielmehr beleidigenden Charakter gehabt hätte. Dies gilt nach der Rspr. des BAG nur für Extremfälle (z.B. Angebot einer Pförtnerstelle an den bisherigen Personalchef). Das Verhalten des Arbeitnehmers nach Ausspruch der Beendigungskündigung und während des Kündigungsschutzprozesses ist ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Extremfalls. Beruft er sich nicht zeitnah auf eine Beschäftigungsmöglichkeit, kann regelmäßig angenommen werden, dass der Arbeitgeber ein entsprechendes Änderungsangebot nicht unterbreiten musste. Einem Vollzeitarbeitnehmer sind auch Teilzeitstellen und solche mit erheblichem Einkommensverlust anzubieten. Der Arbeitgeber braucht nicht eine freie Mitarbeit anzubieten. Es besteht regelmäßig keine Verpflichtung, eine Beschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten.
Rz. 106
Macht der Arbeitgeber ein Änderungsangebot ohne gleichzeitige Kündigung, hat er klarzustellen, dass bei Ablehnung des Änderungsangebots mit einer Kündigung zu rechnen ist und innerhalb welcher Frist der Arbeitnehmer das Angebot annehmen bzw. ablehnen kann. Versäumt der Arbeitgeber den Hinweis auf die mögliche Kündigung, scheitert die Beendigungskündigung allein daran. Die Überlegungsfrist des Arbeitnehmers wird in der Regel entsprechend § 2 S. 2 KSchG drei Wochen betragen. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot vorbehaltlos und endgültig ab und gibt er unmissverständlich zu erkennen, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu arbeiten, kann es ihm verwehrt sein, sich nachträglich auf das Änderungsangebot zu berufen. Der Arbeitnehmer kann entsprechend § 2 KSchG das Änderungsangebot fristgemäß unter Vorbehalt annehmen (vgl. dazu Rdn 286). Dann bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit der Änderungskündigung.
Rz. 107
Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag einer bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so ist der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG dennoch verpflichtet, eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine sofortige Beendigungskündigung ist dagegen zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht – auch nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung – annehmen. Allein die Ablehnung eines der Kündigung vorangegangenen Angebots auf einvernehmliche Abänderung des Arbeitsvertrages enthebt den Arbeitgeber noch nicht von der Verpflichtung, das Änderungsangebot mit einer nachfolgenden Beendigungskündigung erneut zu verbinden. Lehnt es der Arbeitnehmer etwa ab, unter Verzicht auf die ihm zustehende Kündigungsfrist sofort in eine Vertragsänderung zu schlechteren Bedingungen einzuwilligen, so lässt dies noch nicht ohne weiteres die Schlussfolgerung zu, er hätte auch eine entsprechende Änderungskündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht einmal unter Vorbehalt angenommen.
Rz. 108
Formulierungsbeispiel
Sehr geehrter Herr (…),
hiermit bieten wir Ihnen eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen ab dem (…) an. Sie können ab dem (…) im Bereich (…) als (…) beschäftigt werden. Sie wären in dieser Funktion dem (…)-Leiter (…), derzeit Herrn (…), unterstellt. In dieser Funktion haben Sie keine (…)-Aufgaben mehr. Sie wären in Vergütungsgruppe (…) des (…) Tarifvertrages (…) eingruppiert. Alle übrigen Regelungen Ihres Arbeitsvertrages würden unverändert fortgelten.
Diese Änderung würde dazu führen, dass § (…) Ihres Arbeitsvertrages mit Wirkung zum (…) wie folgt geändert würde:
“§ (…) Aufgabengebiet und Vertragsbeginn
Sie werden mit Wirkung vom (…) als (…) im Bereich (…) weiterbeschäftigt. Die Betriebszugehörigkeit besteht seit (…).“
Bitte teilen Sie uns bis zum (…) (Frist: drei Wochen) schriftlich mit, ob Sie das vorstehende Angebot annehmen. Bei Ablehnung dieses Änderungsangebotes oder im Fall der Nichtä...