Rz. 149
Nach § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und objektive Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, zunächst dem Arbeitnehmer. Nach st. Rspr. des BAG ist dabei von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen. Es ist danach zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die hierzu erforderlichen Informationen verfügt. Soweit der Arbeitnehmer hierzu nicht in der Lage ist und deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zur Auswahl veranlasst haben (zum Schreiben an den Arbeitgeber vgl. § 43 Rdn 14), hat der Arbeitgeber im Prozess substantiiert seine subjektiven, tatsächlich angestellten Überlegungen vorzutragen. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer. Gibt der Arbeitgeber keine oder keine vollständige Auskunft, so kann der Arbeitnehmer, wenn ihm die entsprechend eigene Kenntnis fehlt, die Namen der sozial stärkeren Arbeitnehmer nicht nennen. In diesem Fall wird der Vortrag des Arbeitnehmers, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, als schlüssig und ausreichend behandelt. Gleiches gilt, wenn dem Vortrag des Arbeitgebers zu entnehmen ist, dass er die Sozialauswahl nicht unter Berücksichtigung des Vortrags des Arbeitnehmers auf, aus dessen Sicht, vergleichbare Arbeitnehmer erstreckt hat und wenn er es unterlässt, seinen Vortrag im Prozess zu ergänzen.
Rz. 150
Demnach ist es im Prozess zunächst Sache des Arbeitnehmers, zu begründen, warum er mit Arbeitnehmern einer bestimmten Gruppe vergleichbar ist. Die bloße Behauptung, eine Vergleichbarkeit sei gegeben, reicht aber hierzu nicht aus. Soweit es ihm möglich ist, hat er darzulegen, welche Qualifikationsanforderungen bei der Ausübung der Tätigkeiten, für die er sich geeignet hält, zu erfüllen ist. Gleichzeitig hat er mitzuteilen, welche Fertigkeiten er wann und wie erworben hat und ob sie ihn zur Ausfüllung des von ihm angestrebten Arbeitsplatzes befähigen. Soweit er von einer gewissen Einarbeitungszeit ausgeht, hat er die von ihm angenommene Dauer anzugeben und zu begründen. Ergibt sich bereits aus dem Vortrag des Arbeitgebers, dass er den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer im Rahmen seiner Auswahlentscheidung objektiv zu eng gezogen hat, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Sozialauswahl auch im Ergebnis fehlerhaft ist. Wenn keine weiteren Tatsachen vorgetragen werden, wird die Behauptung des Arbeitnehmers, soziale Gesichtspunkte seien nicht ausreichend berücksichtigt, als unstreitig behandelt.
Rz. 151
Praxishinweis
Der Arbeitgeber muss sich vor Durchführung der Sozialauswahl die aktuellen Grunddaten besorgen. Dies wird für Lebensalter und Betriebszugehörigkeit (aber Achtung bei Betriebsübergängen!) unproblematisch sein. Ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer etwaigen Schwerbehinderteneigenschaft befragt, wird er sich sehr genau überlegen, da in der Praxis häufig erst die Frage zur Antragstellung führt (vgl. auch § 7 Rdn 59 ff.). Andererseits wird im Fall der betriebsbedingten Kündigung regelmäßig die Zustimmung erteilt. Muss nach Zugang der Kündigung und Berufung auf den besonderen Kündigungsschutz durch den Arbeitnehmer das Zustimmungsverfahren durchgeführt werden, führt dies regelmäßig zu einer mehrmonatigen Verzögerung des Ablaufes der Zahlungsverpflichtung.
Der Arbeitnehmeranwalt wird in jedem Fall die Ordnungsgemäßheit der Sozialauswahl rügen, den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordern, die ihn zur Auswahl oder zur Herausnahme von Leistungsträgern veranlasst haben (Formulierungsbeispiel siehe § 43 Rdn 14) und genau prüfen, ob die vom Arbeitgeber vorgetragene Auswahl den – in der Praxis häufig verkannten – Grundsätzen (vgl. Rdn 144 ff.) entspricht. Nach Auskunftserteilung durch den Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer Arbeitskollegen namentlich benennen oder zumindest umschreiben (z.B. Arbeitnehmer in der Einkaufssachbearbeitung, deren Namen der Kläger nicht kennt), die mit ihm (auch) vergleichbar (z.B. ebenfalls Sachbearbeiter mit kaufmännischer Ausbildung) sind und z.B. eine kürzere Betriebszugehörigkeit aufweisen und auch angesichts der weiteren Sozialdaten (z.B. ca. 28 Jahre alt, nach Kenntnis des Klägers ledig, nicht schwerbehindert und erst seit ca. zwei Jahren im Betrieb beschäftigt) deutlich weniger sozial schutzwürdig sind.