Rz. 224

Beleidigt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, dessen Vertreter oder Arbeitskollegen und führt dies zu einer erheblichen Ehrverletzung des Betroffenen, so ist eine verhaltensbedingte – ggf. außerordentliche – Kündigung gerechtfertigt.[575] Dies gilt insbesondere für rassistische Beleidigungen.[576] Bei einer Beleidigung ist jedoch stets zu prüfen, inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mit verursacht worden ist.[577] Im Rahmen der Interessenabwägung soll der betriebliche oder branchenübliche Umgangston sowie der Bildungsgrad und psychische Zustand des Arbeitnehmers, die Gesprächssituation und schließlich Ort und Zeitpunkt des Geschehens zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein.[578] Es soll den Arbeitnehmer entlasten, wenn er beleidigende Äußerungen über Vorgesetzte, den Arbeitgeber oder nicht anwesende Kollegen in der Annahme macht, die Erklärung würde nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausgehen.[579] Eine schriftliche Beleidigung im Rahmen eines sozialen Netzwerks kann eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigen, wenn die entsprechende Internetseite für jeden Nutzer zugänglich ist und die Aussagen insofern nicht mehr als vertrauliche Kommunikation gewertet werden können.[580] Wiederholte und schwerwiegende Äußerungen innerhalb der sozialen Netzwerke können eine außerordentliche Kündigung begründen.[581] Es ist stets zu berücksichtigen, inwieweit Äußerungen des Arbeitnehmers von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, oder aber bei Äußerungen im Zusammenhang mit gewerkschaftlicher Tätigkeit aus Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sind.[582]

 

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Entsprechend rechtfertigen auch Tätlichkeiten gegenüber Arbeitskollegen eine – ggf. außerordentliche – verhaltensbedingte Kündigung.[583] Dies gilt teils auch dann, wenn der in Frage kommende Straftatbestand noch nicht erfüllt ist. Entscheidend ist nicht die strafrechtliche Würdigung, sondern die mit dem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens.[584]

[575] BAG v. 6.11.2003, ZTR 2004, 261; BAG v 11.7.1991, RzK I 5 i Nr. 68; LAG Köln v. 21.8.1998, NZA-RR 1999, 186; KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 462 f.
[576] LAG Düsseldorf v. 10.12.2020, NZA-RR 2021, 298; LAG Köln v. 6.6.2019, BeckRS 2019, 24767.
[577] BAG v. 19.12.1985, AP Nr. 1 zu § 133b GewO.
[578] Vgl. dazu Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, § 1 KSchG Rn 296; KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 463.
[579] So aber LAG Köln v. 15.12.2003, NZA-RR 2004, 527; LAG Köln v. 18.4.1997, LAGE § 626 BGB Nr. 111; BAG v. 30.11.1972, AP Nr. 66 zu § 626 BGB.
[580] LAG Hamm v. 10.10.2012, ZD 2013, 93; a.A. VGH München v. 29.2.2012, ArbRAktuell 2012, 202; eine Stellungnahme des BAG zu diesem Thema bleibt abzuwarten.
[583] BAG v. 6.10.2005, NZA 2006, 431; BAG v. 30.9.1993, RzK I 5 i Nr. 85.

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