Rz. 1
Die Bedeutung des kündigungsschutzrechtlichen Mandats soll zunächst anhand einiger, leider schon etwas älterer empirischer Daten zu Beendigungen von Arbeitsverhältnissen belegt werden. Diese werden auch Anlass für taktische Überlegungen des Rechtsanwalts sein.
Rz. 2
In der Bundesrepublik Deutschland werden in Abhängigkeit von der Konjunkturlage jährlich zwischen 3,5 und 4,4 Mio. Arbeitsverhältnisse aufgelöst. Arbeitgeberkündigungen haben daran einen Anteil von etwa einem Drittel. 31 % der Beendigungen gingen auf Kündigungen durch Arbeitnehmer zurück. In 26 % der Fälle endet das Arbeitsverhältnis durch Auslaufen einer Befristungsabrede. Durch Aufhebungsvertrag werden 15 % der Arbeitsverhältnisse beendet.
In 41 % der Fälle ergreifen Arbeitgeber die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in 5 % der Fälle geht sie von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam aus.
Rz. 3
Im Fall der Arbeitgeberkündigungen wird nur in 12 % aller Fälle Kündigungsschutzklage eingereicht. Jährlich sind es zwischen 200.000 und 330.000 Kündigungsschutzklagen, die bei den Arbeitsgerichten eingehen. Im Jahr 2020 gab es 206.163 Klagen über Bestandsstreitigkeiten i.S.v. § 61a ArbGG (von insgesamt 332.407 bei Arbeitsgerichten eingereichten Klagen).
Zwei von drei Kündigungen sind betriebsbedingte Kündigungen. Im Fall des Betriebsratswiderspruches fühlen sich deutlich mehr Arbeitnehmer zu einer Klage ermutigt: Die Klagequote liegt in diesen Fällen bei 38 %. Allerdings widerspricht der Betriebsrat lediglich bei 18 % der Kündigungen, zu denen er angehört wurde, während er in 58 % der Fälle sogar zustimmte. Vier von zehn Widersprüchen erweisen sich im gerichtlichen Verfahren als unwirksam. Zu 81 % enden Kündigungsschutzklagen in erster Instanz durch Vergleich, in zweiter Instanz ebenfalls zu 81 %. Von den Bestandsstreitigkeiten wurden 2020 rund 46.402 innerhalb eines Monats erledigt, rund 98.087 in ein bis drei Monaten, 37.541 in drei bis sechs Monaten, 20.311 in sechs bis zwölf Monaten und etwa 4.000 dauerten über zwölf Monate. Nur 16 % aller Eingänge bei den Arbeitsgerichten wurden durch Urteil entschieden, 35 % bei den Landesarbeitsgerichten. Nur 3 % der Kündigungsschutzverfahren gehen in die zweite Instanz.
Rz. 4
11 % der Arbeitnehmer treten vor dem Arbeitsgericht als Naturpartei auf. 83 % aller Kammertermine auf Arbeitnehmerseite werden von Rechtsanwälten wahrgenommen. Die Bedeutung der gewerkschaftlichen Prozessvertretung hat erheblich nachgelassen.
Rz. 5
Bezogen auf alle Fälle der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erhalten lediglich 10 % der Arbeitnehmer eine Abfindung. Bei arbeitgeberseitig veranlasster Kündigung erhalten 16 % eine Abfindung. Im Fall des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags erhalten 22 % der Arbeitnehmer eine Abfindung. Die Mehrheit der Abfindungen wird aufgrund individueller Vereinbarungen gezahlt. Im Rahmen von Sozialplänen bekamen 61 % der Gekündigten eine Abfindung. Von denjenigen Arbeitnehmern, die gegen eine Kündigung Kündigungsschutzklage erheben, bekommen mehr als die Hälfte eine Abfindung: 57 %. 41 % der Abfindungen sind geringer als ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Zwischen einem halben und einem Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr beträgt die Abfindung in 27 % der Fälle, über einem Monatsgehalt liegen die restlichen 32 %.
Die Höhe der Abfindung hängt primär von der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der für die Tätigkeit erforderlichen Ausbildung ab. Beschäftigte mit einem Hochschulabschluss bekommen sechs Mal häufiger eine Abfindung über sechs Monatsgehältern als Beschäftigte ohne Ausbildung.
Durchschnittlich liegen die Abfindungen bei 1,05 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr, der Medianwert beträgt 0,61. Gekündigte erhalten durchschnittlich 0,77 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr (Median 0,49) oder 14.310 EUR (Median 6.000 EUR). Im Rahmen eines Aufhebungsvertrags beträgt die durchschnittlich gezahlte Abfindung 1,31 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr (Median 0,64) oder 39.223 EUR (Median 20.000 EUR).