Rz. 137
An der Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den kündigungsbedrohten Arbeitnehmer nicht einseitig ohne Änderung des Arbeitsvertrages oder Ausspruch einer Änderungskündigung auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann. Anders ausgedrückt sind diejenigen Arbeitnehmer vergleichbar, die kraft Direktionsrecht mit den anderen Aufgaben beschäftigt werden können. Der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer hängt also von der jeweiligen Arbeitsvertragsgestaltung ab. Je genauer arbeitsvertraglich die Tätigkeit und/oder Funktion beschrieben ist, desto kleiner ist der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer. Aus der Vertragspraxis kann auf den Vertragsinhalt geschlossen werden, wenn die Praxis den Vertragsparteien bekannt war und von ihnen gebilligt wurde.
Rz. 138
Praxishinweis
Bei der Arbeitsvertragsgestaltung sollte auf eine genaue Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit und eine abgrenzbare Funktionsbezeichnung (z.B. nicht Sachbearbeiter, sondern Sachbearbeiter Lebensversicherung in der Sparte Risikolebensversicherung oder nicht Redakteur, sondern Politikredakteur bei der Zeitschrift XY) geachtet werden. Auf die üblichen Versetzungsklauseln sollte verzichtet werden. In einem unbelasteten Arbeitsverhältnis wird der Arbeitnehmer i.d.R. unabhängig vom Vertragsinhalt andere Tätigkeiten übernehmen. Lehnt der Arbeitnehmer dies ab, wird man ihm auch kaum aufgrund des Vertragsinhalts die Tätigkeit gegen seinen Willen zuweisen.
Rz. 139
Dass andere, grundsätzlich vergleichbare Arbeitnehmer Schichtarbeit und Wochenenddienst leisten, steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Individualarbeitsrechtlich kann der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts die Lage der Arbeitszeit einseitig festsetzen und auch die Leistung von Schichtdienst anordnen, soweit keine entgegenstehenden vertraglichen Regelungen getroffen worden sind. Sind besondere Arbeitszeiten einzelvertraglich vereinbart, besteht keine Vergleichbarkeit (hier Schicht- und Wechselschichtbetrieb mit Sonn- und Feiertagsarbeit von Reinigungskräften in einem Theater, der den Aufführungszeiten des Theaters einzelvertraglich angepasst ist).
Rz. 140
Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund gesetzlicher, tarif- oder einzelvertraglicher Regelung ordentlich nicht gekündigt werden können, scheiden nach herrschender Meinung allein aus diesem Grund aus der Sozialauswahl aus. Personen, zu deren Kündigung die Zustimmung einer Behörde notwendig ist, insb. bei Mutterschutz, § 17 Abs. 2 MuSchG, Elternzeit, § 18 Abs. 1 S. 4 u. 5 BEEG oder Schwerbehinderung, § 168 SGB IX (eingehend vgl. § 7 Rdn 2 ff., 29 ff., 45 ff.), sind nur in die Sozialauswahl einzubeziehen, wenn die Zustimmung der zuständigen Behörde, z.B. des Integrationsamtes erteilt ist und bis zum Ausspruch der Kündigung vorliegt. Diese Grundsätze, wonach gesetzliche Kündigungsverbote zur Herausnahme der betreffenden Personen aus der Sozialauswahl führen, gelten auch dann, wenn im Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung der Sonderkündigungsschutz voraussichtlich alsbald auslaufen wird. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, mit der Kündigung bis zum Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes zu warten. Das gilt für tariflich unkündbare Arbeitnehmer dann nicht, wenn der tarifvertraglich eingeschränkte Auswahlpool gemessen an dem durch § 1 Abs. 4 KSchG vorgeprägten Maßstab zu einer grob fehlerhaften Sozialauswahl führen würde. Bei einzelvertraglichem Kündigungsausschluss gilt das nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine absichtliche Umgehung von § 1 Abs. 3 KSchG vorliegen. Es müssen sachliche Gründe für den Ausschluss vorliegen.
Rz. 141
Befristet beschäftigte Arbeitnehmer unterfallen nicht der Sozialauswahl, wenn ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristungszeit endet, wenn ein ordentliches Kündigungsrecht weder arbeits- noch tarifvertraglich geregelt ist (vgl. § 17 Rdn 19). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das befristete Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Zeit endet, für die es eingegangen ist und eine vorzeitige ordentliche Kündigung deshalb ausgeschlossen ist. Teilzeitbeschäftigte dürfen gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht benachteiligt werden (§ 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Dies gilt auch im Rahmen sozialer Auswahl. Daraus wird abgeleitet, dass Voll- und Teilzeitkräfte trotz unterschiedlicher individueller Dauer der Arbeitszeit miteinander vergleichbar sind. Anders ist es, wenn eine Organisationsentscheidung vorliegt, nach der bestimmte Arbeiten nur von Vollzeitbeschäftigten ausgeübt werden. Eine soziale Auswahl ist auch zwischen Teilzeitbeschäftigten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten vorzunehmen (zur sozialen Vergleichbarkeit, wenn Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB widersprechen, vgl. § 10 Rdn 50 ff.).