Rz. 100

Die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bezieht sich zunächst nur auf vergleichbare (gleichwertige) freie Arbeitsplätze (vgl. dazu auch Rdn 94).[231] Der Arbeitnehmer kann nicht verlangen, zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung befördert und auf einem höherwertigen Arbeitsplatz beschäftigt zu werden.[232] Kurze Einarbeitungszeiten für den neuen Arbeitsplatz sind zu berücksichtigen.[233] Allein die höhere Vergütung auf dem anderen Arbeitsplatz schließt die Weiterbeschäftigung nicht von vornherein aus. Verlagert der Arbeitgeber Beschäftigungsmöglichkeiten von einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen, so genießt das Arbeitsverhältnis des bisherigen Arbeitsplatzinhabers auch dann Bestandsschutz, wenn die Arbeit höher vergütet wird, sofern sie nur dieselbe oder zumindest ganz überwiegend gleich geblieben ist.[234] Dennoch kann der höheren Vergütung indizielle Bedeutung beizumessen sein.

 

Rz. 101

In erster Linie muss jedoch eine tätigkeitsbezogene Überprüfung der Vergleichbarkeit vorgenommen werden. Maßgebend ist, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, einen anderen Arbeitsplatz ausfüllen kann. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und seiner Ausbildung(en) in der Lage ist, eine andersartige, aber gleichwertige oder geringwertigere Tätigkeit zu leisten.[235] Der Arbeitnehmer muss das Anforderungsprofil der freien Stelle erfüllen. Im Kündigungszeitpunkt muss also die berechtigte Erwartung bestehen, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Zeit über das Anforderungsprofil verfügt (z.B.: behördliche Genehmigungen). Nicht ausreichend hingegen ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das Anforderungsprofil vorliegen wird.[236] Hierbei liegt es im freien unternehmerischen Ermessen, das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes zu bestimmen.[237] Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben. Eine vom Arbeitgeber geforderte "mehrjährige Berufserfahrung" kann zur sachgerechten Erledigung der Arbeitsaufgabe ein solches, nachvollziehbares Kriterium sein (im entschiedenen Fall im Bereich des Verkaufs).[238] Vergleichbar ist ein Arbeitsplatz, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dort aufgrund seines Weisungsrechts ohne Änderung des Arbeitsvertrages weiterbeschäftigen kann. Das Weisungsrecht und damit die Vergleichbarkeit des Arbeitsplatzes hängen von der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsvertrages ab (vgl. Rdn 137).[239]

[232] BAG v. 29.3.1990, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 29; BAG v. 23.2.2010, NZA 2010, 1288.
[233] Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 793.
[237] BAG v. 10.11.1994, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77; BAG v. 7.11.1996, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 88; BAG v. 24.6.2004, NZA 2004, 1268.
[239] So BAG v. 15.12.1994, NZA 1995, 521, 525; ebenso Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, § 1 KSchG Rn 609.

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