1. Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens
Rz. 93
Eine Kündigung, die aufgrund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu prüfende ultima-ratio-Grundsatz wird in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG normativ konkretisiert. Danach ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Entsprechendes gilt nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Die Gesamtheit der Dienststellen in dem umschriebenen Bereich entspricht dem Unternehmen im Bereich der Privatwirtschaft (vgl. auch Rdn 28). Die Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch des zuständigen Betriebsrats bzw. der zuständigen Personalvertretung vorliegt.
Rz. 94
Prüfungssystematik:
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Die Weiterbeschäftigung muss aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. |
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Dies setzt voraus, dass in dem Betrieb oder Unternehmen (siehe Rdn 102) ein
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freier (vgl. Rdn 95 ff.) und |
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vergleichbarer (siehe unten Rdn 100 ff.) |
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Arbeitsplatz vorhanden ist und |
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der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. |
a) Freier Arbeitsplatz
Rz. 95
Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung setzt das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes voraus. Als "frei" sind solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Ausreichend ist es auch, wenn ein Arbeitsplatz innerhalb der Kündigungsfrist frei wird und der Arbeitgeber dies bei Ausspruch der Kündigung mit hinreichender Sicherheit vorhersehen kann. Steht zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung fest, dass ein anderer vergleichbarer Arbeitsplatz nach Ablauf der Kündigungsfrist frei wird, auf dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden könnte, so ist die Kündigung unwirksam, wenn es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, diesen Zeitraum zu überbrücken. Zumutbar ist dabei jedenfalls die Überbrückung eines Zeitraums, den ein anderer Stellenbewerber für die Einarbeitung benötigen würde. Auch für ruhende Arbeitsverhältnisse kann nichts anderes gelten. Besteht ein Kündigungsgrund, so kann vom Arbeitgeber nicht erwartet werden, seinen Kündigungsentschluss so lange zu verschieben, bis das Arbeitsverhältnis nicht mehr ruht, der Kündigungsgrund aber möglicherweise wieder entfallen ist. Ein mögliches frei werden im Rahmen der üblichen Personalfluktuation reicht nicht. Der Arbeitsplatz eines erkrankten Arbeitnehmers ist selbst dann nicht frei, wenn es wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der erkrankte Arbeitnehmer nicht zurückkehrt.
Rz. 96
Der Arbeitgeber darf die Weiterbeschäftigung nicht dadurch vereiteln, dass er, ohne die Grundsätze der Sozialauswahl zu beachten, die freien Arbeitsplätze besetzt oder externe Bewerber einstellt. Der Arbeitgeber kann sich nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen. Werden z.B. im Zusammenhang mit der Umstrukturierung und Privatisierung der Hausmeisterdienste einer Universität neue Stellen – hier Kraftfahrer – geschaffen, so hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG zu entscheiden, welche von der Organisationsentscheidung betroffenen Arbeitnehmer er auf diesen neuen Stellen weiterbeschäftigt. Muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass ein Arbeitnehmer im Fall des Teilbetriebsübergangs dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen wird, muss er einem solchen Arbeitnehmer einen vorhandenen freien Arbeitsplatz anbieten.
Entsprechendes gilt, wenn die unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungspflicht dazu führt, dass mehrere Arbeitnehmer aus verschiedenen Betrieben eines Unternehmens um denselben Arbeitsplatz in einem der Betriebe konkurrieren. In diesem Fall hat der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über die Besetzung des Arbeitsplatzes die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen. In derartigen Fällen ist eine Sozialauswahl analog § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen.
Rz. 97
Als frei sind regelmäßig auch die mit Leih...