Rz. 264
Nach der Rspr. des BAG ist eine Abmahnung erforderlich, wenn wegen eines nicht vertragsgerechten, steuerbaren Verhaltens gekündigt werden soll. Dies gilt, wenn erwartet werden kann, dass in Zukunft eine Wiederherstellung der Vertragstreue und des Vertrauens erwartet werden kann. Die frühere Unterscheidung zwischen Störungen im Leistungsbereich einerseits und Störungen im Vertrauensbereich und betrieblichen Bereich andererseits hat das BAG aufgegeben. Damit ist sowohl bei Störungen im Leistungsbereich als auch bei Störungen im Vertrauensbereich i.d.R. eine Abmahnung erforderlich.
Rz. 265
Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich, wenn trotz Abmahnung eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht erwartet werden kann oder es sich um schwere Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Die Abmahnung ist dann ferner entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer nicht Willens oder nicht in der Lage ist, sich vertragstreu zu verhalten. Dementsprechend ist i.d.R. bei personenbedingten Kündigungen eine Abmahnung entbehrlich (vgl. Rdn 176).
Rz. 266
Regelmäßig wird bei den nachfolgenden Pflichtverletzungen eine Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung erforderlich sein: Minder-/Schlechtleistung, verbale sexuelle Belästigung, unentschuldigtes Fehlen, Unpünktlichkeit, Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht bei Krankheit, fehlende Führungseigenschaften, alkoholbedingtes Fehlverhalten, Verletzung der Pflicht zur amtsärztlichen Untersuchung, Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten in Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Betriebs- oder Personalratsratsamtes, Ausübung einer Nebentätigkeit während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsbummelei und Arbeitsverweigerung und Verletzung der Pflicht, eine Arbeitszeitkarte zu führen.
Rz. 267
In der Regel wird bei den nachfolgenden Pflichtverletzungen eine Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung nicht erforderlich sein: exzessive private Internetnutzung mit Aufruf pornographischer Seiten, vorsätzliche Manipulation an einer Zeiterfassungskarte, Fälschen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, vorsätzliches Ausstellen unrichtiger Reisekostenabrechnungen, erheblicher Spesenbetrug bzw. sonstiger Betrug, Unterschlagung eines Geldbetrages, Diebstahl, unsittliches Verhalten und sexuelle Belästigung, Annahme von Schmiergeldern, Verstöße gegen ein Wettbewerbsverbot, erheblicher Loyalitätsverstoß durch einen Arbeitnehmer in einer Führungsposition, Vorteilsnahme, Verdachtskündigung, Krankheitsandrohung bei Nichtgewährung von Urlaub, Weitergabe von Kenntnissen und Informationen durch einen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat an Dritte, erhebliche unsachliche Angriffe eines Arbeitnehmers auf Kollegen und Vorgesetzte mit beleidigendem Charakter, "Götzzitat" gegenüber dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten und sonstige schwere Beleidigung, Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen, Ausübung einer schichtweisen Vollzeitbeschäftigung während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit, wenn der Heilerfolg gefährdet wird, der Konsum von Drogen auch außerhalb der Arbeitszeit, wenn hierdurch die Sicherheit innerhalb des Arbeitsverhältnisses gefährdet wird, das Verbreiten von Gesundheitsdaten an die Betriebsöffentlichkeit und die Vorlage eines gefälschten Impfausweises zur Täuschung des Arbeitgebers.