Rz. 3
In aller Regel beruht die Haftung der Rechtsberater (Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) auf Störungen eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit Dienstvertragscharakter, auf den die Vorschriften des Auftragsrechts Anwendung finden. Ein entgeltlicher Treuhandvertrag mit dem Anwalt ist ebenfalls als Geschäftsbesorgungsvertrag zu bewerten. Zentrale Haftungsnorm ist nunmehr § 280 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger Schadensersatz verlangen kann, wenn der Schuldner eine aus dem Vertragsverhältnis herrührende Pflicht verletzt hat, es sei denn, der Schuldner hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. § 280 Abs. 1 BGB tritt damit dem Grundsatz nach als Anspruchsgrundlage an die Stelle der früheren positiven Vertragsverletzung. Die Bestimmung begründet i.d.R. einen abgeschlossenen Haftungstatbestand für alle Pflichtverletzungen des Beraters, die nicht in der Herbeiführung einer Verzögerung (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) oder der Unmöglichkeit der Leistung (§§ 280 Abs. 3, 283 BGB) bestehen. Besonderheiten sind allerdings zu beachten, soweit der Mandant Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 3, 281 BGB verlangt.
I. Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB
Rz. 4
§ 280 Abs. 1 BGB enthält – bis auf die Sonderregelung des § 311a Abs. 2 BGB für eine anfängliche Unmöglichkeit – die einheitliche Haftungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen einer vom Berater nach Vertragsrecht zu vertretenden Pflichtverletzung. Sind die Voraussetzungen der Norm erfüllt, hat der Auftraggeber Anspruch auf "einfachen" Schadensersatz, der auch als "Schadensersatz neben der Leistung" bezeichnet wird. Durch Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis, die der Berater zu vertreten hat, muss dem Mandanten ein Schaden entstanden sein.
1. Schuldverhältnis
Rz. 5
Jeder Rechtsberatervertrag bildet ein Schuldverhältnis i.S.d. Vorschrift (§ 311 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus wird ein Schuldverhältnis auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages und ähnliche geschäftliche Kontakte begründet (§ 311 Abs. 2 BGB).
2. Pflichtverletzung
Rz. 6
§ 280 Abs. 1 BGB umfasst Hauptpflichten (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), z.B. die Vertragspflicht zur Rechtsbetreuung (Rechtsberatung und/oder -vertretung), "leistungsbezogene" Nebenpflichten, die unmittelbar der Vorbereitung, Durchführung oder Sicherung der geschuldeten Hauptleistung dienen (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), z.B. die Warnpflicht vor Gefahren außerhalb des Mandatsgegenstandes (vgl. § 2 Rdn 10), sowie "nicht leistungsbezogene" Nebenpflichten, die – unabhängig von der hauptsächlichen Leistungspflicht – nur fremde Rechtsgüter und Interessen schützen sollen (§ 241 Abs. 2 BGB).
3. Vertretenmüssen
Rz. 7
Der Berater haftet für seine Pflichtverletzung nicht, wenn er diese nicht gem. §§ 276 bis 278 BGB zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da ihn die Beweislast für fehlendes Verschulden trifft, hat er i.d.R. für ein eigenes Verschulden in Gestalt von Vorsatz und Fahrlässigkeit oder für ein solches Verschulden von Erfüllungsgehilfen einzutreten (vgl. § 2 Rdn 409 ff.).
4. Schaden
Rz. 8
Es muss ein Schaden im Rechtssinne entstanden sein (vgl. § 5 Rdn 85 ff.), ohne dass zugleich die Voraussetzungen eines Schadensersatzes statt der Leistung nach § 281 oder § 283 BGB gegeben sind. § 280 Abs. 1 BGB schützt das Integritätsinteresse des Mandanten und begründet daher einen Anspruch auf Ausgleich der vermögensmäßigen Nachteile, die ihm bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters nicht entstanden wären.
5. Beispielsfälle für eine Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB
a) Schlechtleistung
Rz. 9
§ 280 Abs. 1 BGB begründet einen Schadensersatzanspruch in folgenden Beispielsfällen einer fehlerhaften Rechtsberatung:
Beispiele
Ein Mandant befragt einen Rechtsanwalt, ob eine verhältnismäßig geringfügige restliche Kaufpreisforderung für ein Grundstück verjährt sei. Der Rechtsanwalt bejaht dies zu Unrecht. Der Verkäufer tritt vom Kaufvertrag wegen Verzuges mit der Kaufpreiszahlung zurück. Der Mandant wird zur Rückübereignung des Grundstücks, dessen Wert den Kaufpreis übersteigt, rechtskräftig verurteilt.
Infolge fehlerhafter steuerlicher Beratung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, z.B. über USt, zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung oder Aufdeckung stiller Reserven, erleidet der Mandant einen Steuerschaden, der bei richtiger Beratung nicht entstanden wäre.
Wegen mangelhafter Beratung über eine steuersparende Vermögensanlage treten die erstrebten Steuervorteile nicht ein.
b) Verletzung einer leistungsbezogenen vertraglichen Nebenpflicht
Rz. 10
Der Mandant kann einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen einen Rechtsberater wegen schuldhafter Verletzung einer leistungsbezogenen vertraglichen Nebenpflicht, die nach ihrem Zweck unmittelbar der ordnungsmäßigen Erfüllung des Schuldverhältnisses dient, etwa in folge...