Victoria Nordmann, Dr. Michael Nugel
Rz. 6
Der Begriff des Betriebs eines Kraftfahrzeugs (und jetzt auch eines Kraftfahrzeuganhängers) ist weit auszulegen, um den hohen Gefahren im Straßenverkehr gerecht zu werden. Von ihm werden sämtliche Schäden umfasst, die durch Gefahren adäquat verursacht werden, die dem Kraftfahrzeug typischerweise innewohnen. Das Tatbestandsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG setzt nicht grundsätzlich einen nahen zeitlichen Zusammenhang zwischen Schadensfall und Fahrzeugbetrieb voraus. Maßgeblich ist, ob der Schaden entweder beim Betrieb des Fahrzeugs selbst bzw. in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang damit oder aber durch eine Betriebseinrichtung des schädigenden Kraftfahrzeugs eintritt. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz – erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird.
Rz. 7
Muster 3.1: Weite Auslegung des Merkmals bei Betrieb
Muster 3.1: Weite Auslegung des Merkmals "bei Betrieb"
Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen und umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist (BGH, Urt. v. 24.3.2015 – VI ZR 265/14 = VersR 2015, 1681; BGH, Urt. v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06 = SP 2008, 207; BGH, Urt. v. 26.4.2005 – VI ZR 168/04 = VersR 2005, 992, 993). Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es erst, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will.
Insoweit ist zu beachten, dass selbst dann eine Betriebsgefahr in Betracht zu ziehen ist, wenn das Fahrzeug sich außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums befindet.
Rz. 8
Muster 3.2: Betriebsgefahr außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums
Muster 3.2: Betriebsgefahr außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums
Der Betrieb eines Kfz erfordert nicht den Einsatz des Kfz auf einer öffentlichen Verkehrsfläche und kann beispielsweise auch innerhalb einer privaten Tiefgarage erfolgen (BGH, Urt. v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13 = NJW 2014, 1182). Konsequent besteht auch eine Haftung der Kfz- Haftpflichtversicherung für Fahrzeuge bei einem Unfallereignis außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums, solange ein Zusammenhang zur Funktion des Kfz als Transportmittel besteht (EUGH, Urt. v. 15.11.2018 – C 648/17 = r+s 2019, 452). Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 StVG enthält jedenfalls keine Einschränkung dahingehend, dass der Betrieb eines Fahrzeugs beendet ist, wenn es an einem Ort außerhalb des allgemeinen Verkehrs abgestellt wird. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt vielmehr erst in den Fällen, in welchen die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kfz keine Rolle mehr spielt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.9.2010 – 1 U 6/10 – MDR 2011, 157; so auch zum Gebrauch des Kfz die Vorgabe des EUGH, Urt. v. 15.11.2018 – C 648/17 = r+s 2019, 452).
Eine generelle Privilegierung durch ein Absehen einer Betriebsgefahr für ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeuge dürfte dem Zweck einer umfassenden Halterhaftung zuwiderlaufen. Eine gebotene Zurückhaltung ist vielmehr durch eine angemessene Abwägung der betroffenen Betriebsgefahren zu erreichen, bei welchen die geringe Gefahr eines ordnungsgemäß abgestellten Kfz i.d.R. gegenüber anderen Verursachungsbeiträgen zurücktreten wird. Auch kann bei Beteiligung zweier Kraftfahrzeuge am Unfall für den ordnungsgemäß Parkenden mangels erkennbarer Gefahrensituation u.U. ein unabwendbares Ereignis vorliegen.
Rz. 9
Muster 3.3: Betrieb eines Kfz durch Falschparken
Muster 3.3: Betrieb eines Kfz durch "Falschparken"
Für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt eines Verkehrsunfalls "in Betrieb" war, stellt die Rechtsprechung nicht darauf ab, ob es sich in Bewegung befand oder der Motor lief. Maßgeblich ist vielmehr, ob es sich im öffentlichen Straßenverkehr befindet und dadurch eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellt (BGHZ 29, 163, 166). Auch bei einem ruhenden Fahrzeug, das verbotswidrig abgestellt worden ist und dadurch Gefahren für andere begründet, besteht mithin eine Betriebsgefahr fort (OLG Karlsruhe VersR 1986, 155). Dies entspricht auch der europarechtlichen Vorgabe, dass auch bei einem stehenden Kfz eine Haftung der Kfz-Haftpflichtversicherung wegen dem Gebrauch des Kfz eröffnet ist (EUGH, Urt. v. 15.11.2018 – C 648/17 = r+s 2019, 452).
Rz. 10
Diese Fallkonstellation zeigt, dass ein Kraftfahrzeug nicht nur dann in Betrieb ist, wenn es noch zu Zwecken der F...