Victoria Nordmann, Dr. Michael Nugel
Rz. 56
Die Haftung öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Beamter bzw. vergleichbarer Personen ist je nach Charakter der Fahrt unterschiedlich. Ebenso wie jeder andere Verkehrsteilnehmer können auch Körperschaften des öffentlichen Rechts im Fall eines Verkehrsunfalls unter Beteiligung eines ihrer Fahrzeuge sowohl aus Gefährdungs- als auch aus Verschuldenshaftung haften. Für die Halterhaftung gem. § 7 Abs. 1 StVG bestehen insoweit keine Besonderheiten.
Im Bereich der Verschuldenshaftung ist allerdings der Sondertatbestand des § 839 BGB zu beachten. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB enthält ein sog. Verweisungsprivileg. Danach besteht – vorausgesetzt es liegt eine schuldhafte unerlaubte Handlung des Beamten vor – nur dann eine Haftung, wenn der Geschädigte keine anderweitige Ersatzmöglichkeit besitzt. Dies bedeutet, dass dem Wortlaut nach grundsätzlich eine Haftung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft bei Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung aus § 839 BGB ausscheiden müsste.
Das Verweisungsprivileg gilt jedoch nicht, wenn der Schadeneintritt bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr stattfand. Das ist immer dann der Fall, wenn sich die Teilnahme am Straßenverkehr durch den Beamten nicht von anderen Verkehrsteilnehmern unterscheidet. In diesen Fällen ist eine Privilegierung der Körperschaft gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern nicht gerechtfertigt. Im Übrigen bleibt eine Haftung aus § 7 StVG von diesem Verweisungsprivileg unberührt.
Rz. 57
Der Begriff des Beamten ist aufgrund der Wertung des Art. 34 GG weit zu verstehen. Hierunter wird jede Person verstanden, die vom Staat mit den Befugnissen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ausgestattet ist.
Ein Verschulden folgt i.d.R. aus einem Verstoß gegen die betroffenen Vorschriften der StVO. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Stellen (insbesondere Polizei und Rettungsdienst) nach § 35 StVO mit Sonderrechten ausgestattet sind und unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorrangrecht genießen. Gegenüber diesen Fahrzeugen behält der Vorfahrtsberechtigte zwar grundsätzlich sein Vorfahrtsrecht. Dieses tritt jedoch zurück (= dem Einsatzfahrzeug ist ein Vorrangrecht zur "Missachtung der Vorfahrt" einzuräumen), wenn alle vorgeschriebenen Einsatzsignale (i.d.R. Blaulicht und Martinshorn) eingeschaltet sind. Der Fahrer des Fahrzeugs mit Sonderrechten darf sich nur unter besonderer Sorgfalt über das bestehende Vorfahrtsrecht anderer Verkehrsteilnehmer hinwegsetzen und muss sich insbesondere vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer seine Einsatzsignale auch wahrgenommen haben.
Rz. 58
In Fällen dieser Art haftet allein die Anstellungskörperschaft des Beamten grundsätzlich allein. Es darf also keinesfalls der Beamte unmittelbar verklagt werden, auch wenn dies mit unangenehmen Beweisproblemen verbunden sein kann. Schließlich steht der Gegenseite in diesen Fällen der den Unfall verursachende Beamte weiterhin als Zeuge zur Verfügung. Eine gemeinsame Haftung ist nur in wenigen und eng umgrenzten Ausnahmefällen anerkannt, in denen der Beamte vorsätzlich gehandelt hat.
Rz. 59
Ferner ist zu beachten, dass Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern von der Pflicht zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung befreit sind. In diesen Fällen besteht kein Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, sondern der Anspruch muss allein gegen die betreffende öffentlich-rechtliche Körperschaft gerichtet werden.
Rz. 60
Ein Sonderfall liegt bei Unfällen unter Einsatz von Sonderrechtsmitteln vor. Bei derartigen Schäden greift das Verweisungsprivileg wieder ein. Hierbei handelt es sich um Verkehrsunfälle, an denen Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr und sonstiger Träger hoheitlicher Gewalt beteiligt sind und bei denen der Schadeneintritt unter Einsatz von Sonderrechten gem. § 35 StVO erfolgt. Die Abwägung der Haftung der am Unfall beteiligten Verkehrsteilnehmer bereitet in derartigen Fällen häufig Schwierigkeiten.