Rz. 97
Insolvenzgläubiger sind gemäß § 38 InsO alle persönlichen Gläubiger, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründete Vermögensansprüche gegen den Schuldner haben. In Nachlassinsolvenzverfahren können nach § 325 InsO nur Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden, so dass hier alle Insolvenzgläubiger zugleich Nachlassgläubiger sind. Keine Insolvenzgläubiger sind demgemäß rein dinglich berechtigte Gläubiger sowie solche Gläubiger, die ihre (persönlichen) Forderungen erst nach dem Eröffnungsstichtag erwerben (sog. "Neugläubiger").
Rz. 98
In gewöhnlichen Nachlassinsolvenzverfahren sind (Nachlass-)Neugläubiger in diesem Sinne nicht vorstellbar, da sämtliche Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung des Nachlasses nach Verfahrenseröffnung entstehen, entweder automatisch Masseverbindlichkeiten sind (§ 324 Abs. 1 Nr. 1–6 InsO) oder aber als reine Eigenverbindlichkeiten des Erben zu qualifizieren sind.
Rz. 99
(Nachlass-)Neugläubiger, also solche Inhaber persönlicher Forderungen, die erst nach Verfahrenseröffnung entstanden sind, und die daher nicht an dem Nachlassinsolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger teilnahmeberechtigt sind, kann es nur in einem sog. fortgesetzten Nachlassinsolvenzverfahren geben, wenn der Schuldner im Laufe eines als Regelinsolvenzverfahren eröffneten Verfahrens stirbt, mit der Folge, dass dieses in ein Nachlassinsolvenzverfahren überzuleiten ist. Nach h.M. bleiben Neugläubiger ggf. aufgrund § 38 InsO außen vor, obwohl das Verfahren im Übrigen mit allen Konsequenzen zu einem Nachlassinsolvenzverfahren wird.
Rz. 100
Hinweis
Aufgrund von § 324 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 6 InsO sind auch Verbindlichkeiten, die von einem (schwachen) vorläufigen Insolvenzverwalter, z.B. im Rahmen von Betriebsfortführungen, vor Verfahrenseröffnung begründet werden, unabhängig von § 55 Abs. 2 InsO ausnahmslos und immer als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren.
Rz. 101
Die Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO bilden daher in Nachlassinsolvenzverfahren fast immer ausschließlich die Verbindlichkeiten, die noch von dem Erblasser selbst herrühren. Per definitionem gehören aber auch die sog. Erbfallschulden zu den (potentiellen) Insolvenzforderungen.
Rz. 102
Zu den Erbfallschulden zählen insbesondere die in § 1967 Abs. 2 BGB genannten Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmer, einschließlich der des Voraus des Ehegatten nach § 1932 BGB und des Dreißigsten nach § 1969 BGB, auf die die Vorschriften über Vermächtnisse entsprechend anzuwenden sind, sowie die Ansprüche der Auflagenberechtigten. Diese verweist § 327 Abs. 1 InsO jedoch in den absoluten Nachrang, d.h. noch hinter die in § 39 Abs. 1 und 2 InsO bezeichneten nachrangigen Insolvenzforderungen.
Zu den Erbfallschulden gehören ferner der Unterhaltsanspruch gegen die werdende Mutter eines erbberechtigten Nasciturus gem. § 1963 BGB sowie Zugewinnausgleichsansprüche gemäß § 1371 BGB. Sofern solche Ansprüche ausnahmsweise existieren, handelt es sich um Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO.
Rz. 103
Zu den Insolvenzforderungen im Rang des § 38 InsO gehören auch Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus bei Verfahrenseröffnung beiderseits nicht vollständig erfüllten Verträgen, die von dem Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 103 ff. InsO nicht erfüllt werden, vgl. § 103 Abs. 2 InsO. Hat der Insolvenzverwalter dagegen die Erfüllung des Vertrags gewählt, sind die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag als Masseverbindlichkeiten und Masseforderungen zu behandeln.
Rz. 104
Auch der Erbe selbst kann Insolvenzgläubiger sein. Die infolge des Erbfalls durch Konfusion oder Konsolidation erloschenen Rechtsverhältnisse gelten nach § 1976 BGB im Nachlassinsolvenzverfahren als nicht erloschen. Soweit der Erblasser dem Erben etwas schuldig war, lebt auch die Forderung des Erben wieder auf und kann von diesem geltend gemacht werden. Der Erbe hat in diesem Fall sowohl die Rechte und Pflichten des Schuldners als auch die Rechte aus seiner Beteiligtenstellung als Insolvenzgläubiger.
Rz. 105
Soweit Ansprüche persönlicher Gläubiger i.S.d. § 38 InsO nicht auf Geldleistung gerichtet sind, ist der Geldwert nach Maßgabe des § 45 InsO zu schätzen. Nicht fällige Forderungen gelten gemäß § 41 InsO als fällig. Gemäß § 42 InsO werden auflösend bedingte Forderungen wie unbedingte Forderungen behandelt.