Rz. 21
§ 280 Abs. 1 BGB hat als Kernvorschrift für die anwaltliche Haftung folgende Voraussetzungen:
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Pflichtverletzung, |
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haftungsbegründende Kausalität, |
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Rechtswidrigkeit, |
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Verschulden, |
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haftungsausfüllende Kausalität und |
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Schaden. |
1. Pflichtverletzung
Rz. 22
Die fünf häufigsten Anwaltshaftungsfälle sind Fristversäumnis, Verstoß gegen materiell-rechtliche Ausschlussfristen, Vergleichsreue des Mandanten, Unkenntnis des materiellen Rechts, Führen aussichtsloser Prozesse und Streit um den Mandatsumfang. Eine Vertragspflicht, deren Verletzung in einem Regressfall geltend gemacht wird, muss auf eine der folgenden vier Grundpflichten des Rechtsanwalts zurückzuführen sein: Klärung des Sachverhaltes, Rechtsprüfung, fehlerhafte Rechtsberatung und allgemeine Schadensverhütung, wonach der Rechtsanwalt den Mandanten vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren hat. Der BGH hat hierbei die Pflichten hinsichtlich des "sichersten Weges" vor dem Hintergrund, dass der Mandant als Verbraucher auftritt, immer schärfer gefasst. Bei fehlerhafter Belehrung oder Beratung gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn eine bestimmte Entschließung des Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Eine erschöpfende Belehrungspflicht entfällt nur bei besonderer Eilbedürftigkeit oder bei einem Aufwand, der außer Verhältnis zum Streitgegenstand steht.
Rz. 23
Klassische Haftungsfälle sind, dass wenn eine Firma übernommen wird, die in finanziellen Schwierigkeiten ist, der Rechtsanwalt auf den Haftungsausschluss gemäß § 25 Abs. 2 HGB hinweisen muss. Eine unschlüssige Klage oder ein aussichtsloses Rechtsmittel oder eine aussichtsreiche unterbliebene Rechtsmitteleinlegung verpflichtet den Rechtsanwalt zum Schadensersatz. Der Rechtsschutzversicherer kann den Rechtsanwalt in Regress nehmen, wenn der Anspruch von vorneherein aussichtslos war und der Rechtsanwalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Der Berufungsanwalt darf dem Rat des Gerichts, das Rechtsmittel zurückzunehmen, nicht folgen, ohne dass sein Mandant so aufgeklärt worden ist, dass er die Prozessaussichten beurteilen kann. Eine andere anerkannte Pflichtverletzung ist, dass wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zweifelhaft ist, ob ein vertraglicher Anspruch im Wege der Vertragsübernahme auf einen Dritten übergegangen ist, der Rechtsanwalt, der zur Klage gegen den Dritten rät, seinem Mandanten zu empfehlen hat, dessen ursprünglichem Vertragspartner den Streit zu verkünden. Ist für den Prozessbevollmächtigen offenkundig, dass das Gericht eine tatsächlich erfolgte Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht beachtet und trotz unbedingt erhobener Klage von einem bloßen Prozesskostenhilfegesuch ausgeht, hat er dieses Missverständnis auszuräumen, um zwecks Einhaltung der Klagefrist die alsbaldige Zustellung der Klage sicherzustellen. Dieses begründet auch eine Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts im Ausgangsfall. Die statistischen meisten Fehler unterlaufen freilich bei der Feststellung und Mitteilung der Rechtsmittelfristen. Der "OK-Vermerk" auf dem Telefax spricht im Grundsatz für einen Empfang des Dokumentes. Diese Rechtsprechung wurde auf das beA übertragen. Schließt der Anwalt für einen rechtsschutzversicherten Mandanten einen Vergleich ab, ohne wegen der Kostenverteilung die Versicherungsgesellschaft vorher zu informieren, akzeptiert er also einfach eine von der Obsiegens- und Unterliegensquote abweichende Kostenregelung oder vereinbart er keine Kostenregelung mit der Folge, dass § 98 ZPO eingreift, kann er sich schadensersatzpflichtig machen, wenn die Versicherung nicht vollständig oder teilweise die Kosten übernimmt. Bei einem Vergleich muss der Rechtsanwalt auf die Vor- und Nachteile des beabsichtigten Vergleichs hinweisen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die rechtlichen, wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Mandanten umfassend zu berücksichtigen. In rechtlicher Sicht sind vor allem die Bewertung der Prozessaussicht und die Beweislage von erheblicher Bedeutung. Auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Fehlentscheidung ist in die Überlegungen einzubeziehen. In wirtschaftlicher Hinsicht ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch einen Vergleich unter Umständen für den Mandanten die Möglichkeit besteht, schneller durch einen langwierigen Prozess an Geld zu kommen, insbesondere dann, wenn Insolvenz droht. Hat ein Rechtsanwalt dem Mandanten pflichtwidrig zum Abschluss eines Vergleichs geraten, der zu einem Verlust von Versorgungsausgleichsansprüchen geführt hat, kann der Rechtsanwalt zum Schadensersatz verpflichtet werden.
Rz. 24
Eine Überbeanspruchung der anwaltlichen Pflichten in Zusammenhang mit gerichtlichen Fehlern hat das BVerfG entgegengewirkt: es hat im Rahmen der Verfassungsbeschwerde ein Urteil des BGH beleuchtet und mit Ausführungen zu dem Richterprivileg sich damit beschäftigt, dass wegen der Haftung aus Art 12 GG eine Haftung nicht zu Lasten des...