Die Arbeitnehmerhaftung erfasst im weitesten Sinne die Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Anspruchsgrundlagen für eine Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber können der Vertrag oder gesetzliche, insbesondere deliktische Ansprüche[1] sein. Gegenüber Dritten (Kunden, andere Arbeitnehmer) ergeben sich mangels vertraglicher Beziehung allein gesetzliche Ansprüche aus den §§ 823 ff. BGB. Bei der Verletzung von Kollegen gelten die Spezialnormen der §§ 104 ff. SGB VII. Vertragliche Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gemäß §§ 280 ff. BGB können aus der Nicht- oder Schlechterfüllung der Arbeitspflicht oder der Verletzung der den Arbeitnehmer treffenden Nebenpflichten[2] resultieren. Die Haftung kann auch allgemeinen gesetzlichen Haftungsnormen entspringen, z. B. bei einer unerlaubten Handlung gemäß § 823 BGB durch Diebstahl, Unterschlagung etc.

Allgemeine Voraussetzung für das Eingreifen der Haftung des Arbeitnehmers ist zunächst, dass arbeitsvertragliche oder gesetzliche Rechte des Arbeitgebers oder Dritter durch ein bestimmtes Verhalten (Handlung, Duldung, Unterlassung) des Arbeitnehmers verletzt worden sind. Die entstandene Rechtsgutsverletzung (typisch sind z. B. Eigentumsverletzungen, aber auch Einbußen der körperlichen Unversehrtheit) muss sich als eine ursächliche Folge des Verhaltens des Arbeitnehmers darstellen (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die entstandenen Schadensfolgen müssen adäquat-kausal auf die Handlung zurückführbar sein (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Schließlich muss dem Betroffenen auch ein Schaden entstanden sein – dies kann fehlen, wenn der Schaden durch Versicherungen abgedeckt ist.

Des Weiteren muss der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten haben.[3] Dies erfordert ein schuldhaftes Verhalten, wobei Vorsatz oder Fahrlässigkeit in Betracht kommen. Der Arbeitgeber hat die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Arbeitnehmers. Die entsprechende Regelung in § 619a BGB schafft eine deutliche prozessuale Besserstellung des Arbeitnehmers gegenüber der allgemeinen Regelung in § 280 Abs. 1 BGB, wonach der Schuldner sein fehlendes Verschulden beweisen muss.

Die wesentliche Abweichung der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber anderen Schuldverhältnissen besteht im Haftungsprivileg zugunsten des Arbeitnehmers: Insbesondere bei fahrlässigem Handeln muss der Arbeitnehmer gar nicht bzw. nicht in voller Höhe für den Schaden haften.[4] Juristisch wird dies aus einer analogen Anwendung von § 254 BGB aufgrund der besonderen Risikosituation des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses abgeleitet.[5]

Unabhängig davon muss sich der Arbeitgeber ein eventuelles, unmittelbares eigenes Mitverschulden gemäß § 254 BGB anrechnen lassen, z. B. mangelnde Anleitung, fehlerhafte Arbeitsgeräte oder Überforderung. Konkret wurde ein Mitverschulden des Arbeitgebers in Fällen eines Organisationsverschuldens[6] oder bei unterlassenen Kontrollmaßnahmen angenommen.[7] Dabei muss das Mitverschulden für die Entstehung des Schadens unmittelbar ursächlich gewesen sein.[8]

[3] §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 619a BGB. Zu den Besonderheiten und Konsequenzen der arbeitsrechtlichen Beweislastregel des § 619a BGB s. auch unter Abschn. 3.4.
[4] Zur Pflicht des Arbeitgebers, vorrangig schädigende Dritte in Anspruch zu nehmen vgl. BAG, Urteil v. 7.6.2018, 8 AZR 96/17.
[5] S. Abschn. 3.

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