Cordula Schah-Sedi, Michel Schah-Sedi
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Rz. 1
Alleiniger Bearbeiter dieses Beitrags ist Rechtsanwalt und Mediator Roland Zarges.
A. Vorbemerkung
Rz. 2
Bevor der (Arbeits-)Wegeunfall in einem Überblick dargestellt wird, soll zunächst erläutert werden, warum er für die gesamte Schadensregulierung von erheblicher Bedeutung ist. Handelt es sich bei einem Unfall um einen Arbeits- oder Arbeitswegeunfall verläuft die Schadensregulierung in komplett anderen Bahnen als beim sonstigen Verkehrsunfall oder sonstigen Haftpflichttatbestand. Zuständig ist dann die gesetzliche Unfallversicherung gemäß SGB VII. Dies bedeutet nicht nur die alleinige Zuständigkeit eines anderen Sozialversicherungsträgers, wichtig ist vor allem die Frage, welche Ansprüche gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Danach ist es so, dass sämtliche Ansprüche, welche von der gesetzlichen Unfallversicherung geleistet werden, nicht mehr dem Geschädigten selbst, sondern der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. (Im Folgenden wird der Begriff der "Unfallversicherung" im Sinne der "gesetzlichen Unfallversicherung" verwendet in Abgrenzung zur privaten Unfallversicherung etwa im Sinne der BUZ.)
§ 1 SGB VII regelt Folgendes:
Zitat
"Aufgabe der Unfallversicherung ist es, nach Maßgabe der Vorschriften dieses Buches"
(…)
2. nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.“ [Hervorhebung d. Verf.]
Ein wesentlicher Unterschied zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung und auch der Pflegeversicherung ist, dass die gesetzliche Unfallversicherung zur Geldleistung verpflichtet ist. Im Gegensatz hierzu gilt im Recht der gesetzlichen Krankenkassen das sog. Sachleistungsprinzip. Näheres hierzu ist unter Rdn 14 ff. zu finden.
Rz. 3
Im schlimmsten Fall kann es so laufen, dass eine Schadensregulierung inklusive Abfindungserklärung komplett abgewickelt wird und sich im Nachhinein herausstellt, dass es sich um einen Arbeits- oder Arbeitswegeunfall handelt. In dem Fall muss die gesamte Schadensregulierung rückabgewickelt und neu aufgerollt werden. Die Tatsache, dass die Unfallversicherung eintrittspflichtig ist und hier ein anderer Anspruchsübergang stattfindet, stellt einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Abfindungserklärung dar. Diese ist damit hinfällig und zu viel geleistete Beträge müssen vom Geschädigten zurückerstattet werden (selbstverständlich unter Berücksichtigung einer etwaigen Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB).
Rz. 4
Letzte Vorbemerkung ist, dass es sich bei dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung um einen Bereich des öffentlichen Rechts handelt. Das heißt, dass sich sämtliche Regelungen, welche im Folgenden zu besprechen sind, im Gesetz finden. Es gibt hierzu zwar Rechtsprechung, insbesondere zur Frage des direkten Weges, der Abwege und Wegeunterbrechungen (siehe hierzu Rdn 14 ff.). Wichtig ist aber, dass die Regelungen und die Grundgedanken des öffentlichen Rechts anzuwenden sind.
B. Systematik – Prüfungsschema
Rz. 5
Die Prüfung eines Arbeits- und Arbeitswegeunfalls hat in einem bestimmten unbedingt einzuhaltenden Schema zu erfolgen:
In einem 1. Schritt ist zu prüfen, ob es sich für den Geschädigten um einen Arbeits- oder Arbeitswegeunfall handelt (siehe hierzu Rdn 9 ff.).
In einem 2. Schritt ist dann zu prüfen, ob im Falle eines Arbeits- oder Arbeitswegeunfalls des Geschädigten eine Haftungsprivilegierung des Schädigers gemäß §§ 104 ff. SGB VII eingreift.
Praxistipp
Diese Reihenfolge ist unbedingt einzuhalten. Gerichte und Sachbearbeiter neigen dazu, zunächst zu prüfen, ob für den Schädiger ein Betriebsunfall vorliegt. Dies ist völlig unerheblich, wenn es sich für den Geschädigten nicht um einen Arbeits- oder Arbeitswegeunfall handelt. Es ist zwingend zuerst für den Geschädigten festzustellen, ob hier ein Arbeits- oder Arbeitswegeunfall vorliegt.
Rz. 6
Für die Frage, ob für den Geschädigten ein Arbeits- oder Arbeitswegeunfall vorliegt, ist ausschließlich die Sozialgerichtsbarkeit zuständig (§ 108 Abs. 1 SGB VII).
Gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII hat das Zivilgericht sein Verfahren auszusetzen, sobald die Möglichkeit besteht, dass für den Geschädigten ein Arbeits- oder Arbeitswegeunfall vorliegt.
Der BGH sieht die Voraussetzungen hierfür streng. Er stellt immer wieder heraus, dass im Falle des Arbeits- oder Arbeitswegeunfalls, an dem ein Schädiger beteiligt ist, nicht nur der Sozialversicherungsträger, also die Unfallkasse, sowie der Geschädigte zu beteiligen sind, sondern immer auch der Schädiger.
Praxistipp
Sollte ein Schädiger vorhanden sein, ist die Unfallkasse bei der Prüfung des Arbeitsunfalls immer mit zu benennen. Es ist darauf hinzuwirken, dass der Schädiger in das Sozialverfahren einbezogen wird. Bei Unterlassen dieses Prozedere wird riskiert, dass das gesamte Verfahren wiederholt werden muss mit der Folge, dass der Mandant noch länger auf sein Geld warten muss.
Grundsätzlich ist es so, dass der Schädiger gem...