Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 183
Die Berufung auf Treu und Glauben gem. § 242 BGB wird bei Argumentationsschwächen gerne als juristische Notbremse gegen alle Ungerechtigkeiten der Welt ins Feld geführt.
Im Bereich des Auskunftsrechts kann mit Treu und Glauben allerdings recht gut argumentiert werden, wenn man Tatsachen vortragen kann, die dazu führen, dass eine Auskunftserteilung unzumutbar, verwirkt oder rechtsmissbräuchlich ist.
Der Bevollmächtigte muss aber wissen, dass – wie in der Ehe – der Treulose keinen Treueverstoß monieren kann. Stellen sich also ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Geschäftsführung heraus, darf der Bevollmächtigte sich nicht mehr auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben berufen und muss umfänglich Auskunft erteilen. Es müssen indes begründete Auffälligkeiten nachgewiesen werden, kleinere Unregelmäßigkeiten und Irrtümer reichen nicht aus.
Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden.
1. Gesundheitliche Gründe in der Person des Bevollmächtigten
Rz. 184
Vor allem bei älteren und kranken Bevollmächtigten kann eingewendet werden, dass es ihnen nicht mehr zumutbar ist, Auskünfte zu erteilen. Das OLG Düsseldorf hat bei einer 77-jährigen Bevollmächtigten, die krebskrank und auf den Rollstuhl angewiesen war, die Auffassung vertreten, dass mangels Zumutbarkeit kein Auskunftsanspruch bestünde. Diesen "Krankheitsbonus" soll es aber nicht geben, wenn Anhaltspunkte für einen Missbrauch bestehen.
Rz. 185
Wenngleich diese Rechtsprechung Bevollmächtigten mit Handicap eine gute Position gibt, sollte man sich als Klägervertreter nicht entmutigen lassen. Solange jemand geschäftsfähig ist, kann er auch Dritte beauftragen, die Auskunft zu erteilen. Zudem kann man vortragen, dass Missbrauch betrieben wurde und insoweit kein Grund zur Schonung besteht.
Rz. 186
Hinweis
Wird ein in buchhalterischen Dingen unerfahrener Bevollmächtigte zur Rechnungslegung aufgefordert, klaffen die rechtlichen Ansprüche mit den tatsächlichen Möglichkeiten weit auseinander. Auch gutwillige Bevollmächtigte können gegenüber Papierkram einen inneren Widerstand entwickeln, der durch drohende Schriftsätze und Fristsetzungen nur verstärkt wird. Eine Lösung dieses Problems ist die Möglichkeit, dem Bevollmächtigten anzubieten, dass eine von ihm beauftragte Buchhaltungskraft die Belege sortiert und die Ein- und Ausgabenrechnung vorbereitet, die von ihm dann unterzeichnet wird.
Die Kosten hierfür sind freilich vom Vollmachtgeber bzw. dessen Erben zu erstatten. Da der Auftragnehmer unentgeltlich tätig wird, darf der diese Mehrkosten nicht aufgebürdet bekommen, es handelt sich mithin um Aufwendungsersatz nach § 670 BGB.
Rz. 187
Eine Amnesie ist ein Argument, dass den Auskunftsanspruch dem Grunde nach nicht wegfallen lässt, ihn aber einschränken kann, weil Unmögliches nicht verlangt werden kann. Wenn allerdings Erinnerungslücken erkennbar nur vorgeschoben sind, dann bleibt immer noch die Möglichkeit, den Bevollmächtigten mit seinen eigenen Waffen zu schlagen – siehe nachfolgendes Beispiel.
Rz. 188
Beispiel
Ein Bevollmächtigter wurde zur Rechenschaft über vermutete Barabhebungen aufgefordert, die fünf Jahre zurücklagen. Er antwortete schriftlich, dass er an diese Zeit nicht die geringste Erinnerung habe und deshalb zu keiner Auskunft imstande sei. Nach einer Bankrecherche stellte sich heraus, dass er mit mehreren Verfügungen vom Konto des Erblassers 14.000 EUR in bar abgehoben hatte. Auf diesen Vorhalt gab er an, das Geld beim Erblasser abgeliefert zu haben. Es ist klar, dass dieser Vortrag wegen des Widerspruchs zur vorherigen Einlassung als unsubstantiierte Schutzbehauptung nicht zu berücksichtigen war. Der Bevollmächtigte hatte Rückzahlung zu leisten.
2. Schikane
Rz. 189
Ein weiterer Fall der Unzumutbarkeit kann dann bestehen, wenn das Auskunftsinteresse so unbedeutend ist, dass es in keinem Verhältnis zum Aufwand der Auskunftserteilung steht und schon absehbar ist, dass auch nach Erteilung der Auskunft der Berechtigte keine Ansprüche daraus ableiten können wird.
Rz. 190
Seit der Schuldrechtsreform gibt es in § 275 Abs. 2 BGB sogar einen konkreten Anknüpfungspunkt. Danach hat der Schuldner das Recht, die Leistung zu verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Allerdings ist bei der Bemessung des zumutbaren Aufwandes auch das Schuldnerverhalten zu berücksichtigen. Hat z.B. der Bevollmächtigte alle Belege vernichtet, obwohl er mit einer Überprüfung rechnen musste, ist es seine Aufgabe, diese wieder zu beschaffen.
Rz. 191
Beispiel
Erblasser E hatte kein Vermögen und nur eine kleine Kriegsversehrtenrente, die gerade ausreichte, um seinen bescheidenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Se...