Rz. 19

Ein Zweitgutachten kann angeordnet werden, wenn das Gericht das Erstgutachten für ungenügend ansieht (§ 30 FamFG, § 412 Abs. 1 ZPO). Werden die Anknüpfungstatsachen nicht oder ungenügend dargelegt oder hat der Sachverständige nicht niedergelegt, welche Befragungen und Untersuchungen er vornahm, welche Tests und/oder Forschungsergebnisse er anwandte und welchen Befund er erhob, ist das Sachverständigengutachten unvollständig, widersprüchlich oder nicht nachvollziehbar, oder fehlt dem Gutachter die angedachte Sachkunde, dann ist das Gutachten für das Gericht nicht verwertbar. Es muss dann ein weiteres Gutachten beauftragen.[40]

 

Rz. 20

Daher hat das Gericht bei der Verwertung des Gutachtens zu prüfen, ob der Sachverständige den richtigen Sachverhalt zugrunde legte und ihn vollständig und nachvollziehbar bewertet hat.[41] Inhaltlich unterliegt das Sachverständigengutachten der gerichtlichen Prüfung nach den Grundsätzen freier Beweiswürdigung. Daher hat das Gericht das Gutachten insgesamt einer kritischen Prüfung zu unterziehen sowie die Zulässigkeit der Befunderhebung und die Nachvollziehbarkeit der daraus gezogenen medizinischen Schlussfolgerungen zu überprüfen.[42]

 

Rz. 21

Liegen verschiedene Krankheiten, die schon jeweils einzeln eine Betreuung bedingen, kumulativ vor, ist für jede einzelne Krankheit ein separates Gutachten zu erstellen. Unabhängig davon, ob nur eine oder mehrere Krankheiten vorliegen, erfordert die Untersuchung stets zum persönlichen Kontakt des Gutachters mit dem Betroffenen als Bestandteil der durchzuführenden ärztlichen Exploration. Daher ist es nicht ausreichend, wenn der Sachverständige den Betroffenen nur kurz z.B. im Hausflur oder anderweitig anspricht.[43]

 

Rz. 22

Das Gutachten hat die Frage "der Notwendigkeit der Betreuung" zu beantworten. Da es dem Gericht überlassen bleibt, in welchem Umfang es zu den einzelnen Punkten gutachterliche Stellungnahmen einholt,[44] hat es sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht und unter Berücksichtigung des schwerwiegenden Eingriffs, den die Anordnung der Betreuung für den Betroffenen darstellt, umfassend über dessen erkennbare Krankheitsbilder zu informieren.

[40] Sternal/Giers, § 280 FamFG Rn 30; BayObLG FamRZ 2001, 1403.
[41] BayObLG FamRZ 1994, 1059.
[42] Sternal/Giers, § 281 FamFG Rn 29 ff.
[43] OLG Köln FamRZ 2001, 310; OLG Köln OLGR 2005, 271; Sternal/Giers, § 280 FamFG Rn 19.
[44] BT-Drucks 11/4528, 174.

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