Rz. 108
Aufgrund der aktuellen Alterspyramide mehren sich diejenigen Fälle, in welchen ein Wohnungsrecht faktisch gar nicht mehr ausgeübt werden kann, weil z.B. alters- oder krankheitsbedingt der Wohnungsberechtigte sich dauerhaft in einem Alten- oder Pflegeheim aufhält. Ob der Betreuer ein zugunsten des Betroffenen grundbuchlich eingetragenes Wohnungsrecht dadurch aufgeben darf, indem er auf dieses verzichten und eine entsprechende Löschungsbewilligung abgeben möchte, hat der BGH nun abschließend geklärt. In dem höchstrichterlich entschiedenen Fall war eine demenzerkrankte Dame auf eigenen Wunsch in ein Pflegeheim umgezogen, wobei die Rückkehr in die frühere Wohnung krankheitsbedingt weder tatsächlich möglich noch von der Betroffenen angestrebt war. Zu ihren Gunsten war im Grundbuch ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht von ihrem früheren Lebensgefährten, der zwischenzeitlich verstorben war, eingetragen. Das Wohnungsrecht war dergestalt beschränkt, dass es zur Ausübung Dritten nicht überlassen werden durfte und der Wohnungsberechtigte die Hausgelder nebst Nebenkosten zu tragen hatte. Die Erben beantragten die Löschung des Wohnungsrechts, welches die Betreuerin bewilligen wollte.
Rz. 109
Die gerichtliche Genehmigung hierzu war streitig und wurde von den Vorinstanzen abgelehnt. Der BGH stellt zunächst heraus, dass das Wohnungsrecht eine besondere Art der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1093 Abs. 1 S. 1 BGB) ist und es sich daher um ein Recht an einem Grundstück handelt, über welches der Betreuer nur mit gerichtlicher Zustimmung verfügen kann. Des Weiteren folgt die Genehmigungsbedürftigkeit einer etwaigen Löschung aus einer Analogie zu § 1907 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt § 1833 Abs. 3 Nr. 2 BGB), da die Aufgabe des Wohnungsrechts eine endgültige Wohnungsauflösung bedeutet und deshalb vom Schutzzweck des § 1833 BGB der Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum gleichsteht. Die beabsichtigte Löschungsbewilligung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, über deren gerichtliche Genehmigung zu entscheiden ist, § 1858 Abs. 1 BGB. Hierbei kommt es auf die Interessen des Betreuten an, wobei das Gericht im Rahmen einer Gesamtabwägung alle Vor- und Nachteile abzuwägen hat. Vorrangig sind die Wünsche des Betreuten (§ 1821 Abs. 2 S. 3, 4 BGB). Der Wunsch, in die Wohnung nicht mehr zurückzukehren, ist zu respektieren, wobei eine anderweitige Nutzung des Wohnungsrechts, vor allem mittels Vermietung, dann ausscheidet, wenn dies – wie im entschiedenen Fall – vertraglich vereinbart ist.
Rz. 110
Grundsätzlich hat das Wohnungsrecht für die Betreuten einen Vermögenswert, der vom Betreuer nicht schenkweise weggegeben werden darf. Insoweit unterliegt der Betreuer einem Schenkungsverbot, § 1854 Nr. 8 BGB. Die ratio legis dient dazu, das Vermögen des Betreuten zu schützen, aus dem nicht zu seinem Nachteil unentgeltlich etwas weggegeben werden soll. Auch der Erlass einer Forderung fällt unter diesen Schutzzweck und somit unter den Schenkungsbegriff. Ebenso wird der Verzicht auf ein grundbuchlich gesichertes Recht vom Schutzzweck der Norm umfasst, wenn die wegzugebende Rechtsposition einen realen Vermögenswert des Betreuten darstellt. Fehlt ein solcher Vermögenswert hinsichtlich der wegzugebenden Rechtsposition, greift § 1854 Nr. 8 BGB nicht ein. Die persönliche Nutzungsmöglichkeit stellt einen solchen aktiven Vermögenswert des Wohnungsrechts dar. Dies gilt allerdings nur, solange die Wiederaufnahme der Wohnungsnutzung durch den Betreuten in Betracht kommt. Fehlt ein solches Interesse oder tritt dies endgültig hinsichtlich tatsächlicher Umstände nicht mehr zu Tage, verliert das Wohnungsrecht den Nutzwert und damit seinen gesamten Vermögenswert.
Rz. 111
Der Verzicht auf ein solches wertlos gewordenes Wohnungsrecht erfüllt somit nicht den Schenkungsbegriff nach § 1854 Nr. 8 BGB. Die nur noch vorhandene Sperrwirkung hat zur Folge, dass das Wohnungsrecht von niemandem mehr genutzt werden kann, insbesondere weil der Betreute aus tatsächlichen (krankheitsbedingten) Gründen gehindert ist, sein Recht wahrzunehmen. Die Erben sind wegen des Fortbestandes des Wohnungsrechts nicht befugt, die Räume ohne Zustimmung des Betreuten einer eigenen Nutzung oder Überlassung an Dritte zuzuführen. Um diese Sperrwirkung zu beseitigen, entspricht die Aufgabe des Wohnungsrechts in der Regel auch dem Interesse des Betreuten, vor allem deshalb, um sich der monatlichen Kostenlast zu entledigen. Bejaht der Betroffene im Rahmen der Anhörung diesen Aspekt (§ 299 S. 1, 2 FamFG), ist die Genehmigung des Verzichts des Betreuers auf das Wohnungsrecht des Betroffenen zu erteilen.