A. Einleitung
I. Zweck der Betreuung
Rz. 1
Das Institut der Betreuung ist bifunktional: Zum einen sollen Volljährige, die ganz oder teilweise ihre Angelegenheiten nicht (mehr) selbst besorgen können, vor Gefährdungen ihrer Person oder ihres Vermögens geschützt werden. Darüber hinaus sollen dem Betreuten staatlicher Beistand und Hilfestellung an die Hand gegeben werden. Er soll also nicht lediglich "verwaltet" werden. Entscheidend ist, was in der Praxis immer wieder übersehen wird, dass der Betreuer nur für die rechtlichen Angelegenheiten des Betroffenen zuständig ist, jedoch keine tatsächlichen Hilfestellungen zu gewähren hat. Ganz im Gegenteil: Sind hilfsbereite Angehörige vorhanden, z.B. durch eine Vorsorgevollmacht mit Befugnissen ausgestattet, die so weit gehen, dass die Aufgaben und Bedürfnisse des Betroffenen auf diese Art und Weise geregelt werden können, ist eine Betreuerstellung weder angezeigt noch erforderlich.
Es ist nicht einmal Aufgabe des Staates, seine Bürger daran zu hindern, sich z.B. gesundheitlich – etwa durch exzessiven Alkoholgenuss – selbst zu schädigen. Diese vom Staat zu akzeptierende Entscheidung des Betroffenen zur "Selbstaufgabe" setzt jedoch voraus, dass der Betroffene seinen Willen frei bilden konnte. Ist er außer Stande, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen, fehlt es an einer solchen freien Willensbildung und der Staat kann im Rahmen der Betreuungsanordnung eingreifen, z.B. durch eine Unterbringung.
Rz. 2
Diese Aufgaben, nämlich Schutz und Hilfe zu gewähren, setzt der Betreuer um. Er hat sich dabei vorrangig am Wohl des Betreuten zu orientieren (§ 1821 Abs. 2 S. 1 BGB), dem möglichst viel Selbstbestimmung verbleiben soll. Um dieses Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortlichkeit des Betreuten und staatlichem Eingriff durch Bestellung eines Betreuers aufzulösen, werden dem Betreuer nur einzelne Aufgabenkreise zugewiesen, innerhalb derer er befugt ist, die Rechte des Betreuten auszuüben. Daher hat das Betreuungsgericht den Aufgabenkreis immer lediglich so eng zu bemessen, dass nur solche Aufgaben erfasst werden, welche der Betreute nicht (mehr) selbst besorgen kann.
Freilich kann dies – insbesondere bei geistig schwer behinderten oder altersbedingt kranken Menschen – bis zur Totalbetreuung reichen. Hierbei ist jedoch der aktuelle Handlungsbedarf immer konkret darzulegen.
II. Geschäftsfähigkeit und Betreuung
Rz. 3
Durch die Anordnung der Betreuung allein wird die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen noch nicht berührt. Er kann daher weiterhin selbstständig Verträge schließen. Dazu gehört auch, dass er jederzeit Vollmachten erteilen kann, sofern die Geschäftsfähigkeit noch besteht. Laut § 104 Abs. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Der Ausschluss der freien Willensbildung liegt vor, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen unbeeinflusst und frei von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach von ihm selbst zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Entscheidend ist, ob der Betroffene noch eine freie Entscheidung treffen kann, welche durch eine Abwägung des Für und Wider, eine sachliche Prüfung aller in Betracht kommender Aspekte und ein dementsprechendes Handeln möglich ist, vor allem, ob der Betroffene infolge der krankhaften Geistesstörung fremden Willenseinflüssen unterliegt oder sein Wille durch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen beherrscht wird. Eine bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit genügen nicht, um eine Geschäftsunfähigkeit positiv zu bejahen. Selbst wenn der Betroffene länger an einer geistigen Störung leidet, vermutet das Gesetz nicht den Ausschluss seiner freien Willensbestimmung. Nur wenn die Geschäftsunfähigkeit feststeht, sei diese auch nur auf partielle Rechtsbereiche beschränkt, kann der Betroffene in diesen Teilbereichen nicht mehr handeln. Der Grundsatz der Selbstbestimmung, der auch im Betreuungsrecht gilt, soll dem Betroffenen hingegen soweit als möglich eigene, selbstständige Handlungen ermöglichen.
Solche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten wollte der Gesetzgeber dem Betroffenen gerade belassen. Um den Betreuten jedoch auch zu schützen, sind Sicherungen notwendig. Diese liegen in gerichtlichen Genehmigungserfordernissen für verschiedene Tätigkeiten.
Praxistipp
Der Betreuer sollte daher bei zweifelhaften Rechtsgeschäften, welche der Betreute selbst noch vornimmt, mit dem Betreuungsgericht Kontakt aufnehmen.
Rz. 4
Dies wird offenbar und umso dringlicher, wenn der bereits unter Betreuung Stehende noch General- oder sonstige Vollmachten erteilt. Mangels anderweitiger...