Rz. 1
Ursprünglich war keine Änderung der Regelungen zur Stellung des Betreuten im Prozess geplant. Sie wurde auf der Herbstkonferenz der 90. Justizministerkonferenz am 7.11.2019 diskutiert und die Justizministerinnen und Justizminister beschlossen eine Prüfungsbitte an das BMJV. Das Selbstbestimmungsrecht betreuter Menschen werde beeinträchtigt, was mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention als bedenklich angesehen wurde. Auf einen Antrag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren wurden Änderungen entsprechend aufgenommen.
Rz. 2
Durch § 53 ZPO a.F. wird ein Betreuter einer prozessunfähigen Person gleichgestellt. Es soll verhindert werden, dass ein Betreuter und ein Betreuer in einem Gerichtsverfahren gegenläufig handeln, so dass eine sachgerechte Prozessführung erschwert oder verhindert wird. Solange der Betreuer seine Vertretung nicht anzeigt, bleibt der Betreute prozessfähig. Er kann auch (bei Geschäftsfähigkeit und Fehlen eines Einwilligungsvorbehaltes) selbst Klage einreichen. Nach dem Beitritt des Betreuers sind Zustellungen etc. nur noch an ihn wirksam. Die Vertretung gilt für den gesamten Rechtstreit einschließlich der Vollstreckung.
Rz. 3
Gem. § 1902 BGB a.F. besteht für den Betreuer kein Zwang, den Betreuten im Prozess zu vertreten. Zudem ist der Betreuer den Wünschen des Betreuten nach § 1901 Abs. 3 BGB a.F. verpflichtet. Schließlich kann der Betreute materiellrechtliche Erklärungen – z.B. ein außergerichtliches Anerkenntnis – grundsätzlich weiter abgeben.
Eine Alternative zur vorgenommenen Änderung wäre eine komplette Streichung des § 53 ZPO gewesen. Diese wurde – zum Teil ohne wirkliche Begründung ("nicht sachgerecht") – wohl mit Verweis auf den dann mutmaßlich mangelhaften Schutz für den Betreuten, aber wahrscheinlich auch zur Vermeidung von Problemen in Gerichtsverfahren, nicht gewählt.
Rz. 4
Nach hier vertretener Ansicht wäre eine Streichung insgesamt konsequent gewesen. Nach dem System der rechtlichen Betreuung, wie es durch die Reform noch einmal betont und in weiten Teilen auch umgesetzt wurde, beschneidet die Einrichtung einer Betreuung die Handlungsfähigkeit des Betreuten nicht. Davon machen §§ 53a, 170 ZPO eine Ausnahme. Dass eine solche Sonderreglungen nun von Juristen für gerichtliche Verfahren, aber nicht für andere Bereiche wie medizinische Behandlungen geschaffen wird, erscheint unpassend.
Rz. 5
Die Handlungs- und in diesem Fall Prozessfähigkeit wird durch Geschäftsunfähigkeit (§§ 51 f. ZPO) beschnitten sowie bei der Anordnung einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB a.F. Die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes könnten auch im Prozess alleine maßgeblich sein. Das könnte zwar mühsamer sein – ist es aber für andere Dritte im Geschäftsleben oder bei medizinischen Behandlungen genauso. Durch die Ausschließlichkeitserklärung gem. § 53 Abs. 2 ZPO n.F. wird für diesen Bereich eine Sonderregelung geschaffen, bei der die Anforderungen (kein gerichtliches Verfahren) an den Entzug der Handlungsfähigkeit und damit die Beschränkung der Selbstbestimmung herabgesetzt werden. Soweit für ein unter Umständen notwendiges schnelles Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes gesorgt wird, wäre dies genau so wirksam, ohne von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen. Wenn die Sorge vor zu lange dauernden Verfahren bei der Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes besteht, wäre es nach hier vertretener Ansicht die staatliche Aufgabe, dieses Verfahren (auch durch eine angemessene personelle Ausstattung der Justiz) zu verbessern und nicht stattdessen die Einschränkung der Rechte von betreuten Personen zu erleichtern.