a) Behandlung bei weichenden Erbprätendenten
Rz. 150
Wird einem Erbprätendenten vergleichsweise das Alleinerbrecht gegen Abfindungszahlung an einen anderen Erbprätendenten zuerkannt, stellt die Abfindungszahlung nach alter Rechtlage beim weichenden Erben keinen Erwerb von Todes wegen dar. Dem lag die Auffassung des BFH zugrunde, dass es sich bei § 3 ErbStG um eine abschließende Aufzählung von Erwerben von Todes wegen handelt. Insbesondere ist nach BFH ausschließlich der durch Erbfolge dinglich eingetretene Vermögenszuwachs i.S.d. § 1922 BGB als Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu verstehen. Die vom Erben gezahlte Abfindungssumme ist allerdings stets als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG bei diesem abzugsfähig, wirkt also erwerbsmindernd. Da die Abfindungszahlung auch nicht als eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren ist, selbst wenn deren Wert erheblich unter dem der aufgegebenen Stellung des weichenden Erben liegt, lag in diesen Konstellationen eine Besteuerungslücke mit entsprechendem Steuergestaltungsspielraum vor. Im Ergebnis blieb der Nachlass in Höhe der gezahlten Abfindung unversteuert.
Rz. 151
Dieser Rechtsprechung des BFH ist der Gesetzgeber nunmehr durch Erweiterung des Tatbestandes der gem. § 3 ErbStG steuerpflichtigen Erwerbe mit Wirkung zum 25.6.2017 entgegengetreten. Gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gilt als steuerpflichtiger Erwerb nunmehr, was als Abfindung dafür gewährt wird, dass eine Rechtsstellung, insbesondere eine Erbenstellung, nicht mehr oder nur noch teilweise geltend gemacht wird. Dabei fingiert das Gesetz die Abfindung als vom Erblasser zugewendet, für das steuerliche Zuwendungsverhältnis greift mithin bezüglich der Steuerklasse i.S.d. § 15 ErbStG das Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser.
Rz. 152
Die Abfindung ist nicht einkommensteuerpflichtig (z.B. gem. § 22 Nr. 3 EstG) da ein nicht steuerpflichtiges Entgelt für die Aufgabe einer Rechtsposition im privaten Bereich vorliegt. Die Hingabe eines Gegenstandes zur (teilweisen) Erfüllung eines vereinbarten Abfindungsanspruchs an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) stellt ertragsteuerlich allerdings einen Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang dar. Mithin kann die Übertragung eines Grundstücks als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG eine Einkommensbesteuerung auslösen (siehe § 12 Rdn 2 ff.>).
b) Behandlung beim leistenden Erben
Rz. 153
Die vom Erben gezahlte Abfindungssumme ist (weiterhin) als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig, wirkt also erwerbsmindernd. Im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, also der Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen, liegt ebenfalls eine korrespondierende Besteuerung vor, da § 3 ErbStG eine entsprechende Steuerbarkeit des Erwerbers vorsieht.
Die Erbschaftsteuer für die dem Erbprätendeten gezahlte Abfindung entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. f ErbStG mit dem Zeitpunkt der Erklärung über das Nichtgeltendmachen. Der Zeitpunkt der Erfüllung der Abfindung ist dagegen unbeachtlich.
Rz. 154
Ähnlich wie im Rahmen der Geltendmachung im Pflichtteilsrecht kann daher auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Einfluss genommen bzw. ein zeitverzögerter Erwerb gestaltet werden. Auf diese Weise lässt sich in Einzelfällen eine Berücksichtigung früherer Erwerbe des Erblassers an den weichenden Erbprätendenten i.S.d. § 14 ErbStG vermeiden, mithin "frischer" Freibetrag generieren.
Bei einer Abfindung, die den wirtschaftlichen Wert der Erbschaft erheblich übersteigt, kann eine freigiebige Zuwendung an den Ausschlagenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegen. Steuerpflichtig ist in diesem Fall der Mehrwert, der sich nicht nach steuerlichen, sondern nach bürgerlich-rechtlichen Bewertungsmaßstäben ermittelt.