Rz. 209
Der Erwerb eines Grundstücks auf Grundlage eines Vermächtnisses unterfällt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftbesteuerung und ist entsprechend der Prävalenz der Erbschaftsteuer gegenüber der Grunderwerbsteuer gem. § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei.
Rz. 210
Die Steuerbefreiung greift auch für den Erwerb eines Nachlassgrundstücks aufgrund Vorausvermächtnisses i.S.d. § 2150 BGB sowie gem. § 3 Nr. 3 GrEStG aufgrund einer Teilungsanordnung i.S.d. § 2048 BGB, wenn ein Erbe das Grundstück im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhält (siehe dazu Rdn 31 ff.>). Die teils schwierige Frage nach der Abgrenzung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis kann an dieser Stelle mithin offenbleiben.
Rz. 211
Ist der Vermächtnisnehmer mit einer Auflage oder einem Untervermächtnis i.S.d. § 2147 BGB belastet, führt dies insoweit nicht zur anteiligen Belastung (i.H.d. Werts der Auflage bzw. des Untervermächtnisses) mit Grunderwerbsteuer. Eine Aufteilung des Erwerbs in einen unentgeltlichen und entgeltlichen Anteil findet nicht statt.
Rz. 212
Die Ausschlagung eines Vermächtnisses gem. § 2180 BGB hat keine grunderwerbsteuerlichen Folgen. Erhält der Vermächtnisnehmer allerdings für die Ausschlagung eine Abfindung (von einem Dritten), fingiert § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Ausschlagenden vom Erblasser. Erfolgt die Abfindung durch Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, greift die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG. Dies gilt auch für den Fall, dass Gegenstand der Ausschlagung ein Geldvermächtnis ist und dem Ausschlagenden als Abfindung ein Grundstück übertragen wird. Etwas anderes gilt, wenn als Abfindung für die Ausschlagung eine Geldzahlung vereinbart wird, die dann durch Leistung eines Grundstücks an Erfüllung statt i.S.d. § 364 Abs. 1 BGB erbracht wird. Nur soweit im Verhältnis der beteiligten Personen Befreiungstatbestände bestehen (siehe dazu Rdn 51 ff.>), kommt es auch dann nicht zu einer Grunderwerbsbesteuerung.
Rz. 213
Liegt ein Verschaffungsvermächtnis i.S.d. §§ 2170 Abs. 1, 2169 BGB vor, hat also der mit dem Vermächtnis beschwerte Erbe oder Vermächtnisnehmer dem Bedachten ein nicht zum Nachlass gehörendes Grundstück zu verschaffen, ist aus steuerlicher Sicht zu differenzieren: Erwirbt der Beschwerte das Grundstück zunächst für sich und veräußert es dann in Erfüllung des Verschaffungsvermächtnisses an den Vermächtnisnehmer, ist die Anschaffung ein grunderwerbsteuerpflichtiger Kaufvertrag i.S.d. § 1 Abs. Nr. 1 GrEStG und die Erfüllung des Verschaffungsvermächtnisses nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Ist der Beschwerte hingegen bereits Eigentümer des vermächtnisgegenständlichen Grundstücks, ist der Erwerb grunderwerbsteuerfrei.
Rz. 214
Bei einem Wahlvermächtnis i.S.d. § 2154 BGB ordnet der Erblasser an, dass der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder den anderen erhalten soll. Dabei kann das Wahlrecht sowohl dem Erben als auch dem Vermächtnisnehmer oder einem Dritten eingeräumt werden. Erwirbt der (Wahl-)Vermächtnisnehmer ein Grundstück, ist dies als Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Unbeachtlich ist, wem der Erblasser das Wahlrecht eingeräumt hat bzw. von wem es ausgeübt worden ist.
Beim Kaufrechtsvermächtnis räumt der Erblasser dem Vermächtnisnehmer in einer Verfügung von Todes wegen einen Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrags (regelmäßig zum Erwerb unterhalb des Verkehrswertes) ein. Übt der Vermächtnisnehmer das Kaufrecht an einem Grundstück aus, liegt nach dem BFH grundsätzlich ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Kauf des Grundstücks vor, da eine Steuerbefreiung nach den Bestimmungen für Erwerbe von Todes wegen – Rechtsgrund des Übereignungsanspruchs ist der Kaufvertrag und nicht das Vermächtnis – ausscheidet. Eine Steuerbefreiung kommt dann nur unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten (z.B. soweit im Verhältnis der beteiligten Personen Befreiungstatbestände bestehen, siehe dazu Rdn 51 ff.>) in Betracht.
Rz. 215
Beim Vorkaufsrechtsvermächtnis schließlich kommt eine Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG mangels Bezugs zur Verfügung von Todes wegen nicht in Betracht, da dieses lediglich einen Anspruch auf Einräumung eines (dinglichen) Vorkaufsrechts begründet. Der in Ausübung dieses Rechts noch abzuschließende Grundstückskaufvertrag ist gem. § 1 Nr. 1 GrEStG dem Grunde nach daher steuerbar.
Rz. 216
Sonstige Erwerbe, auf die die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Rechts Anwendung finden, unterfallen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG der Erbschaftsteuer. Hierunter fallen z.B. der Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe gemäß § 1371 Abs. 4 BGB, Ansprüche des überlebenden Ehegatten auf den Voraus gem. § 1932 BGB und der Anspruch auf den Dreißigsten von zum Haushalt gehörenden Familienangehörigen des Erblassers gemäß § 1969 BGB. Für diese Ansprüche gelten die Ausführungen zum Vermächtnis entsprechend.