a) Konkreter Zugewinnausgleich
Rz. 89
Ist der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer (§ 1371 Abs. 2 BGB) oder schlägt er die Erbschaft aus (§ 1371 Abs. 3 BGB), erhält er grundsätzlich den konkreten Zugewinnausgleich und den sog. kleinen Pflichtteil, § 1371 Abs. 2 Hs. 2 BGB. Die konkrete Zugewinnausgleichsforderung i.S.d. § 1378 BGB ist beim überlebenden Ehegatten gem. § 5 Abs. 2 ErbStG erbschaftsteuerfrei. Der sog. kleine Pflichtteil stellt einen steuerpflichtigen Erwerb dar. Auch bei lebzeitiger Beendigung der Zugewinngemeinschaft stellt eine dann von Gesetzes wegen entstehende Ausgleichsforderung keinen steuerpflichtigen Erwerb dar, § 5 Abs. 2 ErbStG (siehe § 1 Rdn 141>).
Beim Erben ist der konkrete Zugewinnausgleich als eine erwerbsmindernde Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zu berücksichtigen (siehe Rdn 104>).
b) Berechnung des konkreten Zugewinnausgleichs
Rz. 90
Anders als bei der erbrechtlichen Lösung (siehe Rdn 82>) kommt es bei der güterrechtlichen Abwicklung des Erbfalls aus steuerlicher Sicht bei der Berechnung zu keinen Abweichungen von den zivilrechtlichen Regeln nach den §§ 1373 ff. BGB.
So greift etwa die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB und es kommt nicht zu einer Deckelung auf den Steuerwert i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG. Leistet der Erbe an Erfüllungs statt an den überlebenden Ehegatten statt der Geldforderung, z.B. ein Grundstück, wird dessen Verkehrswert (und nicht der steuerliche Wert) zugrunde gelegt.
Rz. 91
Wie im Rahmen der Berechnung des (fiktiven) Zugewinnausgleichsanspruchs i.S.d. § 5 Abs. 1 ErbStG erlischt beim Ausgleich des Zugewinns nach § 5 Abs. 2 ErbStG eine auf einen anrechenbaren Vorausempfang i.S.d. § 1380 BGB entrichtete Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und führt zu einer nachträglichen Änderung des Schenkungsteuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
c) Vertragliche Modifikation des Zugewinnausgleichsanspruchs
Rz. 92
Grundsätzlich gilt die Steuerbefreiung der Zugewinnausgleichsforderung i.S.d. § 5 Abs. 2 ErbStG auch für durch (wirksamen) Ehevertrag gem. § 1408 BGB oder (wirksame) Scheidungsfolgenvereinbarung gem. § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB modifizierte Ausgleichsforderungen. Eine einem Ehegatten durch eine solche Vereinbarung verschaffte überhöhte Ausgleichsforderung stellt nach Ansicht der Finanzverwaltung allerdings eine steuerpflichtige Schenkung auf den Todesfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG dar, wenn mit den Vereinbarungen in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen. Die Finanzverwaltung nimmt grundsätzlich eine überhöhte Ausgleichsforderung an, soweit die Vereinbarung der Parteien beispielsweise durch Abrede eines vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegenden Beginns des Güterstandes oder eines abweichenden Anfangsvermögens die sich ohne Modifizierung ergebende Ausgleichsforderung übersteigt. Es kommt also dann zu einer Steuerbarkeit des überhöhten Forderungsteils beim bereicherten Ehegatten, § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG.
Rz. 93
Aus der rückwirkenden Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft allein ergibt sich keine erhöhte güterrechtliche Ausgleichsforderung (siehe Rdn 94>).
d) Rückwirkende Vereinbarung
Rz. 94
Anders als bei der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch die erbrechtliche Abwicklung nach § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG (siehe Rdn 82>) besteht im Rahmen der güterrechtlichen Lösung kein Rückwirkungsverbot. Ist also der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag (also nach dessen Aufhebung) (wieder-)vereinbart worden, wird eine rückwirkende Vereinbarung einer Zugewinngemeinschaft erbschaftsteuerlich anerkannt.
e) Abfindung des Zugewinnausgleichsanspruchs und des Pflichtteils
Rz. 95
Zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben muss bei einer Gesamtabfindung eine eindeutige Zuordnung (Teilungsbestimmung) für den Zugewinnausgleichsanspruch getroffen werden, wenn auch ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche erfasst sein soll. Anderenfalls wäre der (jedenfalls anteilig) auf den Pflichtteilsverzicht fallende Abfindungsbetrag steuerpflichtig.