Leitsatz (amtlich)
1. Die Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen bestimmt sich hinsichtlich des zum Nachlass gehörenden, in Deutschland gelegenen unbeweglichen Vermögens nach deutschem Recht. Insoweit kommt es zur Nachlassspaltung.
2. Die Erbquote der Ehefrau ist nicht gemäß § 1371 Abs. 1 BGB zu erhöhen, wenn der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet ist. Die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, ob die Vorschrift erb- oder güterrrechtlich zu qualifizieren ist, kann offen bleiben.
Normenkette
BGB § 1371 Abs. 1; EGBGB Art. 4, 14-15
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 111 VI 129/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 6) bis 10) vom 14.12.2016 gegen den am 14.11.2016 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) bis 5) werden den Beschwerdeführern auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Teil-Erbscheins nach dem am 12.02.2016 verstorbenen J.
Der Erblasser war türkischer Staatsangehöriger. Sein gewöhnlicher Aufenthalt war zuletzt in T. Er war in erster Ehe mit Frau H verheiratet. Die Ehe wurde 1977 rechtskräftig geschieden. Bei den Beteiligten zu 1) bis 5) handelt es sich um die leiblichen Kinder aus dieser Ehe. Seit dem XX.12.1977 war der Erblasser mit der Beteiligten zu 6), die ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, verheiratet. Einen Ehevertrag haben die Eheleute nicht geschlossen. Die Beteiligten zu 7) bis 10) sind die gemeinsamen Kinder aus dieser Ehe.
Der Erblasser hat keine Verfügung von Todes wegen errichtet. Zum Nachlass gehört unter anderem ein Grundstück in T, C-straße XX, eingetragen im Grundbuch von T, Blatt XXXX. Der Erblasser ist seit dem 11.11.1981 als Eigentümer dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen.
Mit ihrem Antrag vom 11.05.2016 haben die Beteiligten zu 1) bis 5) für sich die Erteilung eines Teil-Erbscheins mit einer Quote von jeweils 1/12, beschränkt auf den inländischen unbeweglichen Nachlass, beantragt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, für den in Deutschland befindlichen Nachlass komme deutsches Erbrecht zur Anwendung. Die Ehefrau des Erblassers sei demnach Erbin zu 1/4, die Kinder des Erblassers Erben zu je 1/12. Eine Erhöhung des Ehegattenerbteils nach Maßgabe des § 1371 Abs. 1 BGB finde nicht statt, da es sich insoweit um eine güterrechtliche Regelung handele, die keine Anwendung finde. Zwar weise Artikel 15 Abs. 2 des türkischen IPRG für die Auseinandersetzung des unbeweglichen ehelichen Vermögens auf das deutsche Recht zurück; diese Rückverweisung erfasse aber nicht die Regelung des § 1371 BGB. Zudem fehle es am Tatbestandsmerkmal der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht, da die Eheleute zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks im Güterstand der Gütertrennung nach türkischem Recht gelebt hätten.
Die Beteiligten zu 6) bis 10) haben gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins Einwendungen erhoben. Sie haben die Ansicht vertreten, der Erbteil der Ehefrau betrage 1/2, weshalb die Kinder des Erblassers nur zu einer Quote von je 1/18 Miterben seien. Die Vorschrift des § 1371 BGB sei erbrechtlich zu qualifizieren und müsse zur Anwendung gebracht werden, um Widersprüche zwischen dem Erb- und dem Güterrecht zu vermeiden. Zudem hätten die Eheleute zum Zeitpunkt des Erbfalls im gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft nach türkischem Recht gelebt, der mit dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht vergleichbar sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Antragsteller zu 1) bis 5) erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Es hat ausgeführt, für das in Deutschland gelegene Grundstück komme deutsches Erbrecht zur Anwendung. Die Ehefrau sei neben den Abkömmlingen des Erblassers gemäß § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB Erbin zu 1/4, die Abkömmlinge seien Erben zu gleichen Teilen, was zu der beantragten Quote von 1/12 je Kind des Erblassers führe. Eine Erhöhung des Erbteils der Ehefrau gemäß § 1371 Abs. 1 BGB finde nicht statt, da diese Vorschrift nicht zur Anwendung komme. Die Regelung sei güterrechtlich zu qualifizieren. Anwendbar sei insoweit gemäß Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 EGBGB das türkische Recht. Hiernach hätten die Eheleute zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks im Jahr 1981 im gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung gelebt. Der zum Jahr 2002 neu eingeführte gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gelte für das vor diesem Zeitpunkt erworbene Vermögen nicht, da die Eheleute eine Rückwirkung des neuen gesetzlichen Güterstandes nicht vereinbart hätten. Die Norm des § 1371 Abs. 1 BGB, die der Auseinandersetzung einer Zugewinngemeinschaft diene, könne demnach unter keinem rechtlichen Gesichtspunk...