Rz. 195
Zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen (durch Erbe, Vermächtnis etc.) können Nachlassgegenstände gehören, durch deren weitere Verwendung durch den Erwerber eine diesen betreffende Einkommensteuer ausgelöst wird. In Betracht kommen Nachlassgegenstände, die zu einem Betriebsvermögen gehören, und Anteile (als wesentliche Beteiligungen) an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 EStG. Beispielsweise können durch eine Veräußerungs-, Entnahme- oder Betriebsaufgabehandlung des Erwerbers – wegen Verstoßes gegen Behaltensfristen – erbschaftsteuerliche Vorteile wegfallen und – wegen Aufdeckung stiller Reserven – gleichzeitig einkommensteuerpflichtige Tatbestände verwirklicht werden.
Rz. 196
Gleiches gilt für Forderungen, die im Erbfall zwar bereits entstanden sind, aber noch nicht einkünfteerhöhend im Rahmen der Einkommensbesteuerung des Erblassers vereinnahmt wurden. Diese unterliegen z.B. bei Freiberuflern im Erbfall der Erbschaftbesteuerung und bei Zufluss beim Erben dessen Einkommensbesteuerung.
Rz. 197
Um solche Doppelbelastungen mit Erbschaft- und Einkommensteuer zu vermeiden, wird gem. § 35b EStG auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer des Erben um Teilbeträge der von diesem geleisteten Erbschaftsteuer gekürzt, wenn bei der Ermittlung des Einkommens des Erben Einkünfte berücksichtigt worden sind, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlagen. Die Nachlassgegenstände müssen also in die erbschaftsteuerliche Wertermittlung mit einbezogen worden sein und die steuerliche Bereicherung i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG erhöht haben. Ein entsprechender vom Steuerpflichtigen zu stellender Antrag ist nicht fristgebunden und kann noch im Einspruchs- und Klageverfahren nachgeholt werden.
Hinweis
Die Anrechnungsmöglichkeit des § 35b EStG besteht nur für Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Nicht erfasst von § 35b EStG sind Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen.
Rz. 198
Für den Umfang der Einkommensteuermäßigung ist auf die für den Erwerb von Todes wegen festgesetzte Erbschaftsteuer abzustellen. Der Prozentsatz der Ermäßigung bestimmt sich gem. § 35b S. 2 EStG nach dem Verhältnis, in dem diese zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 10 Abs. 1 ErbStG die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 ErbStG (siehe § 5 Rdn 1 ff.>) und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG (siehe Rdn 80 ff.>) hinzugerechnet werden.
Rz. 199
Nachlassgegenstände, für die (wegen vorhandener stiller Reserven) eine latente Ertragssteuerbelastung besteht, wirken sich – anders als bei der pflichtteilsrechtlichen Bewertung des Nachlasses i.S.d. § 2311 BGB (siehe Rdn 59>) – erbschaftsteuerlich nicht bereicherungsmindernd aus. Vielmehr greift § 35b EStG, um eine etwaige Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer zu entschärfen.