Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 23
Gemäß § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 RVG gilt § 14 Abs. 1 RVG entsprechend. Hiernach bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 RVG kann auch ein besonderes Haftungsrisiko herangezogen werden. Im Hinblick auf die gesetzliche Begrenzung des Werts in Kündigungssachen durch § 42 Abs. 2 GKG ist festzustellen, dass der gesetzliche Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit regelmäßig nicht dem Interesse des Mandanten an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses entspricht. Es ist daher in Kündigungssachen im Allgemeinen von einem besonderen Haftungsrisiko auszugehen. Hinzu kommen die Haftungsgefahren aufgrund von sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen arbeitsrechtlicher Regelungen und die Belehrungspflichten, die den Anwalt treffen, auch wenn er insoweit nicht mandatiert ist (Zahlungsansprüche, weitere Kündigungen). Aus fehlenden oder fehlerhaften Niederschriften der wesentlichen Vertragsbedingungen resultieren zusätzliche Haftungsgefahren. Tarifverträge sollen bei pauschaler Inbezugnahme im Arbeitsvertrag zu Lasten der Arbeitsvertragsparteien von der Rechtsprechung berücksichtigt werden können, auch wenn die Arbeitsvertragsparteien diese Regelungen im Einzelnen gar nicht kennen.
Rz. 24
Bei der Bestimmung von Rahmengebühren gemäß § 14 RVG kann es genügen, wenn nur ein einzelnes Kriterium für eine Abweichung von der Mittelgebühr vorliegt. Auch kann eine geringe Bedeutung der Angelegenheit durch einen besonderen Umfang ausgeglichen werden, so dass zusätzliche gute Einkommensverhältnisse zu einer Abweichung von der Mittelgebühr nach oben führen.
Rz. 25
Der Gesetzgeber hat mit dem RVG die Berücksichtigung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit an die erste Stelle gestellt. In der Gesetzesbegründung wird auf eine Studie zum durchschnittlichen Zeitaufwand bei der Bearbeitung familienrechtlicher Mandate verwiesen. Daraus lässt sich herleiten, dass der durchschnittliche Zeitaufwand bei einer außergerichtlichen Vertretung bei ca. 2,5 Stunden liegt. Die durchschnittliche Beratung im Arbeitsrecht dauert erfahrungsgemäß eine Stunde, wenn der Mandant die erforderlichen schriftlichen Unterlagen mitbringt und der Anwalt den Sachverhalt umfassend mit dem Mandanten bespricht.
Rz. 26
In Kündigungssachen kann man regelmäßig von einer besonderen Bedeutung der Angelegenheit ausgehen, weil die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers von der arbeitsrechtlichen Angelegenheit in einem erheblichen Umfang abhängt. Die Abhängigkeit der Vergütungszahlungen vom Bestand des Arbeitsverhältnisses führt oft zu weiteren Schwierigkeiten (Dispositionskredit bei der Bank, Mietzahlung, andere Verpflichtungen, zwischenmenschliche Beziehungsprobleme). Regelmäßige Arbeit bedeutet zudem auch eine Teilhabe am Leben in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft. Bei der Vertretung von Arbeitgebern ist auf das Risiko des Annahmeverzugs hinzuweisen.
Rz. 27
Eine besondere Schwierigkeit von Kündigungssachen ist grundsätzlich anzunehmen, wenn Arbeitgeber kündigen oder ein Vertragspartner fristlos kündigen will. Dies gilt bei einer fristgerechten Kündigung durch den Arbeitgeber auch, wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Nur wenn eine umfangreiche Prüfung von verschiedenen denkbaren Sachverhaltskonstellationen stattgefunden hat und sich kein Sonderkündigungsschutz für den Arbeitnehmer begründen lässt, ist die Kündigung für den Arbeitgeber weniger schwierig. Auf das Beratungsergebnis kommt es gebührenrechtlich jedoch nicht an, sondern auf die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Die überdurchschnittliche Schwierigkeit zeigt sich auch daran, dass Spezialkenntnisse eines Fachanwaltes für Arbeitsrecht notwendig waren. Es kommt allerdings nicht darauf an, ob die Angelegenheit für Fachanwälte für Arbeitsrecht gemäß § 14 RVG überdurchschnittlich schwierig und umfangreich war. Die besondere Qualifikation von Fachanwälten wird vom Gesetzgeber nicht als Grund für verminderte Gebühren angesehen.
Rz. 28
Der im Arbeitsrecht tätige Rechtsanwalt erfährt regelmäßig die Einkommensverhältnisse seines Mandanten. Zumindest kann er sie erfragen und sich nachweisen lassen. Dann besteht auch die Möglichkeit, auf das gesetzliche Beispiel der besonders guten Einkommensverhältnisse des Auftraggebers abzustellen. Das durchschnittliche Einkommen betrug bei vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in 2019 monatlich 3.994 EUR brutto. Besonders gute Einkommensverhältnisse sind deshalb zumindest ab 4.500 EUR brutto monatlich anzunehmen. Bei der Vertretung von Arbeitnehmern wird der Rechtsanwalt berücksichtigen müssen, dass seine Klientel häufig überdurchschnittlich verdient. Geringverdiener lassen sich in der Regel von ihrer Gewerkschaft vertreten und sind mit dem dort gebotenen Lei...