Rz. 32

Kommt gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 RVG eine Vergütungsvereinbarung zustande, ergibt sich auch im Falle einer Erstberatung die Höhe der Vergütung aus dieser Vereinbarung. Kommt eine solche Vergütungsvereinbarung nicht zustande, verweist § 34 Abs. 1 RVG auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts.[14] § 34 Abs. 1 RVG enthält ferner Regelungen zum Verbraucherschutz. Ist der Mandant Verbraucher, beträgt die Gebühr für die Erstberatung höchstens 190 EUR, § 34 Abs. 1 S. 3 RVG. Diese Gebühr wurde durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 nicht erhöht.

 

Rz. 33

Erstberatung bedeutet, dass sich der Mandant wegen des den Rat oder die Auskunft betreffenden Gegenstandes erstmalig an den Rechtsanwalt wendet; die Erstberatung umfasst eine "Einstiegsberatung" als pauschale, überschlägige Beratung.[15]

Der Anwendungsbereich der Erstberatungsgebühr endet, wenn die erste Beratung beendet oder wenn die begonnene Beratung wegen ihres Beratungsgegenstandes unterbrochen ist, z.B. weil der Mandant weitere Unterlagen beibringen oder der Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig machen muss; hingegen lässt eine Unterbrechung allein wegen äußerer Umstände (z.B. Mittagspause) die Erstberatung nicht enden. Die Abgrenzung von einer ersten Beratung zu einer weiteren Beratung muss die Praxis erst leisten.[16] Da derartige Streitigkeiten nur selten zu einer Überschreitung der Berufungssumme führen, wird es darauf hinauslaufen, dass im Wesentlichen die Amtsgerichte mit Einzelfallentscheidungen festlegen, wann eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes noch unter den Begriff der Erstberatung fällt.

 

Praxistipp

Wenn der Anwalt Abgrenzungsschwierigkeiten sieht, empfiehlt es sich, mit dem Mandanten darüber kurz zu sprechen und vor einer weiteren Tätigkeit eine angemessene Vergütungsvereinbarung abzuschließen.

 

Rz. 34

Das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 hat die Vorbemerkung 1 VV neu geregelt: "Die Gebühren dieses Teils entstehen neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren oder einer Gebühr für die Beratung nach § 34 RVG".

Die vorgeschlagene Regelung soll indes nicht bewirken, dass neben der Beratungsgebühr nach § 34 RVG auch der sogenannte Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV entsteht. Nach deren Gebührentatbestand sind nur Geschäfts- und Verfahrensgebühren erhöhungsfähig. Eine solche ist die Beratungsgebühr nach § 34 RVG nicht.

 

Rz. 35

Allerdings ist es in der Regel kein Fall der Nr. 1008 VV, wenn der Rechtsanwalt einen Arbeitgeber gegenüber mehreren Arbeitnehmern oder mehrere Arbeitnehmer gegenüber einem Arbeitgeber vertritt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es immer auf alle Umstände des Einzelfalls an, sodass die individuellen Verhältnisse des Arbeitnehmers von ausschlaggebender Bedeutung sein können. Diese Verhältnisse müssen in jedem Fall erarbeitet und berücksichtigt werden. Damit fehlt es an einem einheitlichen Lebenssachverhalt. Jedes Arbeitsverhältnis bedeutet grundsätzlich eine gesonderte Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG.

 

Rz. 36

Die Teilnahme einer weiteren Person an einem Beratungsgespräch ist schon wegen der anwaltlichen Schweigepflicht problematisch. Sofern sich ein Dritter an dem Beratungsgespräch zwischen Anwalt und Mandant beteiligt, ist zu prüfen, ob nicht von einer Besprechung mit einem Dritten ausgegangen werden muss.

 

Rz. 37

Wenn der Anwalt schon bei der Mandatsannahme die Interessen seines Mandanten gegenüber der mit in das Gespräch genommenen Person (Ehe- oder Lebenspartner, Eltern, Vorgesetzter, Arbeitskollege, Betriebsrat) vertreten soll, betreibt er das Geschäft seines Mandanten, sodass nach Nr. 2300 VV eine Geschäftsgebühr abzurechnen ist. Wenn allerdings statt des Mandanten die weitere Person (vorübergehend oder vorläufig) das Gespräch führt (insbesondere bei Telefonaten oder räumlicher Abwesenheit des Mandanten), bleibt es bei einer beratenden Tätigkeit.

 

Rz. 38

Eine betriebswirtschaftliche Frage ist es, inwieweit es sich für den Rechtsanwalt lohnt, Schwierigkeiten bei der Abrechnung zu bewältigen, z.B. weil er mehr als die Erstberatungsgebühr für seine Tätigkeit zu Recht beansprucht. Hier wird es davon abhängen, wie das Büro des Anwaltes organisiert ist. Das Einklagen einer Gebühr vor dem Amtsgericht dürfte jedes lukrative arbeitsrechtliche Mandat entwerten. Amtsrichtern fehlt mitunter das Verständnis für arbeitsrechtliche Mandate. Wenn es ihnen noch gelingt, sich in eine Mandatsbeziehung hineinzuversetzen, fehlen die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht.

 

Rz. 39

Der Rechtsanwalt kann in jedem Einzelfall prüfen, ob er auf solche Schwierigkeiten nicht dadurch angemessen reagieren kann, dass er für zusätzliche Leistungen eine zusätzliche Vergütung in Rechnung stellt. So hat die Rechtsschutzversicherung die mit Einholung der Kostendeckungszusage etc. verbundene Tätigkeit des Rechtsanwaltes zu bezahlen, wenn sie in Verzug geraten ist (§ 286 BGB). Zwar muss die Rechtsschutzversicherung nach den Versicherungsbedingungen (ARB) nicht leisten, wenn der Versicherungsnehmer rechtliche Ansprüche geg...

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