Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 65
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit kann sich während eines gerichtlichen Verfahrens durch eine Abänderung des Streitgegenstandes erhöhen. Dies ist bei einer Klageerweiterung oder Klageerhöhung der Fall.
Die Gebühren berechnen sich bei der Klageerweiterung nach dem erhöhten Gebührenstreitwert ab dem Zeitpunkt der Änderung. Davon sind selbstverständlich nur die Gebühren betroffen, die erst nach der Erhöhung (erneut oder neu) entstehen. Es kann also durchaus vorkommen, dass einzelne Gebühren
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nur vor der Erhöhung, |
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andere Gebühren erst nach der Erhöhung und |
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weitere Gebühren sowohl vor als auch nach der Erhöhung entstehen. |
Nur im letzten Fall werden die Gebühren nach dem höchsten Wert berechnet.
Beispiel:
Meier verklagt Müller auf Zahlung von 4.000,00 EUR. Nach der ersten streitigen Verhandlung erweitert Meier die Klageforderung um 1.000,00 EUR auf 5.000,00 EUR. Es wird erneut streitig verhandelt und eine Beweisaufnahme durchgeführt. Nun erhöht Meier die Klageforderung um zusätzliche 2.000,00 EUR auf 7.000,00 EUR. Nach weiterer streitiger Verhandlung ergeht das Urteil.
Der prozessbevollmächtigte RA des Meier erhält eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr nach dem höchsten Wert von 7.000,00 EUR, da er bezüglich dieses Wertes tätig geworden ist.
Hätte nach der letzten Erhöhung um 2.000,00 EUR – warum auch immer – kein Termin mehr stattgefunden, wäre die Terminsgebühr nur nach dem Wert von 5.000,00 EUR berechnet worden.
Hinweis:
Es ist zwar umstritten, aber nacheinander in einem Verfahren im Wege der Klageerweiterung geltend gemachte Gegenstände sind zu addieren (§ 39 GKG). Es ist nicht erforderlich, dass die Gegenstände gleichzeitig eingefordert werden (OLG Celle, Beschluss vom 09.06.2015 – 2 W 132/15).
Rz. 66
Von der Klageerweiterung mit Abänderung des Streitgegenstandes zu unterscheiden ist der Fall der Wertänderung bei unverändertem Streitgegenstand, was zum Beispiel beim Streit um Wertpapiere mit einem veränderlichen Kurswert, um Herausgabe einer bestimmten Sache bei steigendem Marktpreis oder um Zahlung einer ausländischen Währung vorkommen kann. Bei den genannten Beispielen bleibt der Streitgegenstand (die Menge der Wertpapiere, die geforderte Sache, die Menge der ausländischen Währung) gleich, nur ändert sich deren Wert in Euro. Für die Berechnung der Anwaltsgebühren ist hierbei außergerichtliche und gerichtliche Anwaltstätigkeit gegeneinander abzugrenzen:
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Für außergerichtliche Anwaltstätigkeiten ist in aller Regel der zum Zeitpunkt der Verrichtung der anwaltlichen Tätigkeit sich ergebende Wert für die Berechnung der Gebühren maßgebend. Ist der RA in einer Angelegenheit mehrmals tätig geworden, so ist der höchste Wert während der Anwaltstätigkeit für die Berechnung der Gebühren maßgeblich. Dies ist für jede anfallende Gebühr einzeln zu prüfen, sodass sich für verschiedene Gebühren unterschiedliche Gegenstandswerte ergeben können. Beispiel zur Gebührenberechnung für eine außergerichtliche Anwaltstätigkeit:Auftrag zur außergerichtlichen Eintreibung einer Forderung auf Lieferung von 1.000 Aktien der Siemens AG. Bei Auftragserteilung beträgt der Kurs der Aktie 80,00 EUR, bei Absendung eines Schreibens an den Schuldner 85,00 EUR, bei einer Besprechung mit dem Schuldner 90,00 EUR, danach 87,00 EUR. Jetzt schlägt der Schuldner in einem neuen Besprechungstermin den Abschluss eines Vergleichs vor; der Vergleich wird bei einem Kurs von 79,00 EUR abgeschlossen. Der RA erhält eine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) nach einem Wert von 90.000,00 EUR, da der höchste Kurs des Wertpapiers während seiner Tätigkeit maßgebend ist. Die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) kann nur nach dem Wert von 79.000,00 EUR erhoben werden, da der RA diesbezüglich nur in dem letzten Termin tätig war. Der Gegenstand (die 1.000,00 Aktien) ist übrigens gleich geblieben, nur sein Wert in Euro hat sich verändert. |
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Für gerichtliche Verfahren schreibt in einer besonderen Regelung § 40 GKG vor, dass es auf den Wert zu Beginn der Instanz ankommt. Schwankungen des Wertes zwischen Beginn und Ende der gerichtlichen Instanz bleiben hier also unberücksichtigt. Dies gilt für alle in der Instanz entstehenden Gebühren, gleichgültig zu welchem Zeitpunkt sie anfallen. Siehe hierzu Rdn 33 ff., dort finden sich auch Beispiele. |
Rz. 67
Handelt es sich um eine Klageänderung durch Änderung des Streitgegenstandes im Sinne des § 263 ZPO, sodass ein Gegenstand aus dem Verfahren ausscheidet und stattdessen ein anderer Gegenstand eingeführt wird, so werden die Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert der beiden Gegenstände berechnet, sofern der RA sich um beide Gegenstände bemüht hat. Der Wert der Klageänderung ist für den Zeitpunkt der Einreichung des die Klageänderung ankündigenden Schriftsatzes oder des mündlichen Antrags im Verhandlungstermin festzustellen.
Beispiel:
Frau Riecher lässt RAin Hartmann auf Zahlung von Miete von monatlich 500,00 EUR für die Monate Juni, Juli und August klagen. Die Klageschrift wird dem Mieter zugestellt. Danach zah...