Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 85
Bei Ansprüchen auf Herausgabe von beweglichen Sachen oder Grundstücken wird der Streitwert durch den Verkehrswert der jeweiligen Sache bestimmt (§ 6 S. 1 ZPO).
Der Verkehrswert ist der objektive Wert der Sache, also der Wert, den die Sache nach allgemeiner Anschauung hat. Nur der objektive Wert ist maßgeblich, nicht z. B. der Liebhaberwert oder der Wert, den die Sache nur speziell für den Kläger persönlich hat.
Das bedeutet auch, dass nicht etwa der für die Sache gezahlte Kaufpreis, sondern nur der objektive Verkehrswert entscheidend ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Kaufpreis besonders hoch (Liebhaberpreis) oder besonders niedrig (Freundschaftspreis) war. Allerdings wird der Kaufpreis in der Regel einen wichtigen Hinweis auf die Höhe des zu schätzenden Verkehrswertes liefern.
Der Verkehrswert ist vom Gericht nach "freiem Ermessen" festzusetzen (§ 3 ZPO), was übrigens nicht so ausgelegt werden darf, dass das Gericht den Wert völlig willkürlich festsetzen dürfte. Häufig wird jedoch nur eine Schätzung weiterhelfen. Das Gericht kann eine Beweiserhebung durchführen, muss dies aber nicht (§ 3 ZPO: "kann"). Im Übrigen müssen sich schon die RAe der Parteien über den Verkehrswert Gedanken machen, denn die Parteien sollen bei jedem Antrag, sofern dieser nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, den Wert des Streitgegenstands angeben (§ 61 GKG, § 253 Abs. 3 ZPO).
Sehr umstritten ist, ob Abzüge vom Verkehrswert für auf der Sache ruhende Lasten und Schulden vorgenommen werden dürfen. Dies betrifft insbesondere Grundstücke, die mit Grundpfandrechten belastet sind. Es wird richtig sein, den Verkehrswert ohne Abzug valutierender Grundpfandrechte zu schätzen. Als Grundsatz ist dies z. B. in § 38 GNotKG geregelt. Dagegen werden nach herrschender Meinung dauernde Belastungen (z. B. Erbbaurechte, Wegerechte), wenn sie den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks nachhaltig mindern, abgezogen. Prüfen Sie vorsichtshalber, wie sich die für Sie zuständigen Gerichte zu dieser Frage stellen.
Beispiel:
Kaffke verklagt Breitner auf Rückgabe des verkauften Gebrauchtwagens, den er diesem für einen Kaufpreis von 10.000,00 EUR verkauft hatte. Der Verkehrswert des Pkw hat sich bis zur Klageerhebung (§ 4 Abs. 1 ZPO) wegen gestiegener Nachfrage auf 11.000,00 EUR erhöht. Der Streitwert beträgt 11.000,00 EUR.
Merke:
Bei Herausgabeansprüchen wird der Streitwert durch den objektiven Wert (Verkehrswert) der jeweiligen Sache bestimmt.