Rz. 9
Da der Angelegenheitsbegriff gesetzlich nicht definiert ist, kommt es bei der Beurteilung auf die Umstände des Einzelfalls an. Ob es sich um eine oder mehrere Angelegenheiten handelt, hängt davon ab, ob sie von einem einheitlichen Auftrag umfasst werden, zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrt.
Das BSG vertritt die Auffassung, dass es sich um einen gebührenrechtlichen Begriff handele, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Verfahrens-)Gegenstandes decken könne, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibe der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt. Daher komme es zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit sei in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt. Vor diesem Hintergrund seien die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG davon ausgegangen, dass es sich auch bei Individualansprüchen nach dem SGB II grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit handeln kann, wobei die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft dann eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG auslöst. Grundsätzlich können daher auch im SGB II mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein. Gleiches gelte unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls grundsätzlich auch, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betrifft. Im zugrunde liegenden Fall ist der Senat von einer einheitlichen Angelegenheit ausgegangen, da die Widerspruchsverfahren auf einem vollständig einheitlichen Lebenssachverhalt beruhten, nämlich der zeitgleichen Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus dem alleinigen "Rechtswidrigkeitsgrund" des Bezugs von Krankengeld durch den Kläger. Erfolge alsdann eine Aufhebung der Bewilligung wegen der Erzielung von Einkommen, sei nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X keine umfassende Prüfung von subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen erforderlich. Dem stünde auch nicht entgegen, dass die Aufhebung und Erstattung der individuellen SGB II-Ansprüche in getrennten Bescheiden erfolgte, gegen die selbstständige Widersprüche eingelegt worden sind, für die dem Rechtsanwalt jeweils gesonderte Vollmachten erteilt wurden und sich die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide – in gleicher Weise wie die Leistungsbewilligungen – auf die Individualansprüche bezogen. Sind weitere, nur auf die Aufhebung der Bewilligung bei einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bezogene Prüfungsschritte, wie etwa bei der Verletzung von Mitteilungspflichten (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X), erforderlich, könne dies ggf. eine andere gebührenrechtliche Bewertung rechtfertigen.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird der Angelegenheitsbegriff sehr restriktiv ausgelegt. In der Regel wird durch die Gerichte daher auch dann von nur einer Angelegenheit ausgegangen, wenn über Aufhebung und Erstattung in getrennten Bescheiden und/oder in selbstständigen Widerspruchsverfahren entschieden wird und es sich prinzipiell um Individualansprüche der Kläger handelt. Auch bei der Aufhebung und Erstattung von Leistungsbewilligungen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund des Bezugs von Elterngeld ist das Gericht von derselben Angelegenheit ausgegangen, selbst wenn die Bescheide in getrennten Klageverfahren angefochten werden. Dann liege dennoch ein einheitlicher Auftrag und einheitlicher Rahmen der juristischen Tätigkeit vor.
Auch weitere Untergerichte sind bei der Vertretung von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft wegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden in den jeweiligen Fällen von derselben Angelegenheit ausgegangen, auch wenn getrennte Verfahren geführt wurden. Nach a.A. ist jedes gerichtliche Verfahren eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit, allerdings seien bei der Bemessung der Gebühren Synergieeffekte zu berücksichtigen.
Vorliegend käme es nach der Rechtsprechung daher vor allem darauf an, ob den Aufhebungs- und Erstattungsansprüchen ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde liegt.