Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 65
Gerade auf dem Gebiet der Testamentsgestaltung oder aber auch bei der Ausarbeitung von Übergabeverträgen sind Drittinteressen, die der bedachten Personen oder der Übernehmer, in starkem Maße betroffen. Der Rechtsanwalt muss hier sowohl die geschuldete Leistung (den Entwurf des Testamentes oder des Übergabevertrags) an seinen Mandanten erbringen als auch die Interessen des/der Dritten wahren. Unterläuft dem Anwalt dabei ein Fehler, der sich negativ auf das Drittinteresse auswirkt, stellt sich die Frage, ob auch dritten Personen, beispielsweise der Ehefrau oder den Abkömmlingen des Erblassers, ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn lediglich der Erblasser selbst Vertragspartner des Anwalts geworden ist.
Rz. 66
In Betracht kommt eine Haftung des Anwalts aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Dritter nach dem Inhalt des Vertrags und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags einzubeziehen und dies für den Rechtsanwalt erkennbar ist. Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH werden nur nahe Verwandte des Mandanten (Kinder, Ehefrau) in diesen Schutzbereich einbezogen.
Rz. 67
Hat sich der Anwalt beispielsweise gegenüber einem schon älteren Mandanten verpflichtet, ihn bei der Erstellung eines Testaments zu unterstützen und dazu einen Notar hinzuzuziehen, so haftet der Anwalt der Tochter des Mandanten auf Schadensersatz, wenn er es versäumt hat, den Notar zu beauftragen, und der Erblasser in der Folge ohne Errichtung eines Testaments verstirbt. In einer weiteren Entscheidung hat der BGH die Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte auch im Rahmen einer testamentarischen Gestaltung angenommen, bei der die Ehefrau des Erblassers durch einen Fehler des Anwalts nicht Erbin eines Gesellschaftsanteils werden konnte.
Im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens handelt es sich in der Regel um ein Parteigutachten, welches einen Schutzbereich für Dritte grundsätzlich nicht eröffnet.
Rz. 68
Darüber hinaus kann der Anwalt für Vermögensschäden Dritter nach § 826 BGB haften, wenn er eine fehlerhafte Auskunft erteilt hat. Voraussetzung ist allerdings eine sittenwidrige Handlung des Anwalts und eine vorsätzliche Schädigung. Während die Sittenwidrigkeit nach Ansicht des BGH bereits durch leichtfertiges und grob fahrlässiges Verhalten des Anwalts in Bezug auf seine Berufspflichten und seine Vertrauensstellung gegeben sein kann, ist für einen Schädigungsvorsatz zumindest erforderlich, dass der Anwalt mit der Möglichkeit eines Schadenseintritts gerechnet und diesen billigend in Kauf genommen hat.