Dr. iur. Sebastian Müller
Rz. 100
Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beträgt die Regelverjährung drei Jahre. Sie beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Weitere Voraussetzung ist aber, dass der Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schuldners in diesem Zeitpunkt bereits kennt oder aus grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
Rz. 101
§ 199 Abs. 2 bis 4 BGB legen daneben absolute, kenntnisunabhängige Verjährungshöchstfristen fest. Dementsprechend tritt für Schadensersatzansprüche spätestens zehn Jahre nach der Entstehung des Anspruchs (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB) bzw. 30 Jahre nach Vornahme der schädigenden Handlung (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB) die Verjährung ein. Diese Höchstfristen dienen insbesondere der Herstellung des Rechtsfriedens. Andernfalls wäre der Schuldner der Gefahr ausgesetzt, dass der Verjährungsbeginn mangels Kenntnis von den haftungsbegründenden Tatsachen bzw. der Person des Schuldners auf unbestimmte Zeit nach hinten verschoben würde.
Auch Werkverträge, die ein Rechtsanwalt abschließt, verjähren nach dem neu gefassten § 634a Nr. 3 BGB nach der Regelverjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).
Rz. 102
Die Konsequenzen für die Anwaltshaftung sollen am nachfolgenden Beispiel verdeutlicht werden:
Beispiel
Ein Rechtsanwalt berät den Erblasser fehlerhaft bei der Abfassung dessen Testaments. Folge der fehlerhaften Beratung ist, dass bestimmte Personen entgegen dem Willen des Erblassers später nicht Erben werden. Hat der Anwalt den Testamentsentwurf am 15.3.2002 dem Erblasser übergeben, der daraufhin seinen letzten Willen niederlegt und am 1.10.2033 verstirbt, verjähren die Schadensersatzansprüche der geschädigten "Nicht-Erben" gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 BGB mit Ablauf des 1.10.2043. Nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB verjähren sie hingegen schon mit Ablauf des 15.3.2032. Gemäß § 199 Abs. 3 S. 2 BGB greift stets diejenige Verjährungsfrist, die zu einem früheren Verjährungseintritt führt, so dass im Beispielsfall die Schadensersatzansprüche mit Ablauf des 15.3.2032 verjährt sind.
Rz. 103
Beweisbelastet für das Vorliegen der Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis ist der Schuldner des Anspruchs, mithin der Rechtsanwalt. Beruft sich der Anwalt daher auf das Vorliegen der Kenntnis, ist er in der schwierigen Position, Umstände, die in der Sphäre des Mandanten liegen, dartun zu müssen.
Tritt ein Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker auf, unterliegen Schadensersatzansprüche, die sich aus § 2219 Abs. 1 BGB ergeben, ebenfalls der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB.
Rz. 104
Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung von auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden Schadensersatzansprüchen durch Individualvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant abgekürzt oder verlängert werden. Eine Verkürzung für auf Vorsatz beruhender Schadensersatzansprüche ist nicht möglich (§ 202 Abs. 1 BGB), genauso wenig wie eine Verjährungsverkürzung durch vorformulierte Vertragsbedingungen bei grob oder leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen.