Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 51
Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren muss der Rechtsanwalt regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Experten erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren auch durch eine schlichte Nachfrage in Erfahrung zu bringen sind. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen.
Rz. 52
Allerdings kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe der anwaltlichen Vergütung zu belehren, etwa wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht. Dabei sind bei der erforderlichen Gesamtwürdigung neben der Schwierigkeit und dem Umfang der anwaltlichen Aufgabe und dem Gegenstandswert auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und seine Erfahrung im Umgang mit Rechtsanwälten zu berücksichtigen. Dasselbe gilt, wenn offensichtlich ist, dass der Mandant sich nicht über die Kosten im Klaren ist oder er irrtümlich von einer Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ausgeht, oder falls ein Vertrag entworfen werden soll, bei dem infolge notwendiger notarieller Beurkundung zusätzliche Kosten entstehen. Schließlich besteht ein Aufklärungsbedürfnis, wenn der Rechtsanwalt den unzutreffenden Eindruck erweckt hat, dass es bei zu Beginn veranschlagten geringeren Gebühren bleiben werde. Bei begründetem Anlass ist auf die Möglichkeiten von Prozesskosten-, Verfahrenskosten- und Beratungshilfe hinzuweisen, § 16 Abs. 1 BORA.
Letztlich hängt die anwaltliche Pflicht, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis des Mandanten erkennen konnte und musste.
Rz. 53
Nach § 49b Abs. 5 BRAO gilt:
Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen.
Rz. 54
Der Rechtsanwalt, der den Mandanten vor Übernahme des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet.
Rz. 55
Durch einen Verstoß gegen die vorvertragliche Pflicht des Anwalts entfällt nicht der Vergütungsanspruch für seine anwaltliche Tätigkeit. § 49b Abs. 5 BRAO enthält kein gesetzliches Verbot, Anwaltsverträge ohne einen solchen Hinweis abzuschließen. § 134 BGB ist deshalb nicht anwendbar.
Rz. 56
Ein Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO kann aber einen Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB begründen. Nach § 49b Abs. 5 BRAO ist der Hinweis vor Übernahme des Auftrags zu erteilen, also vor Abschluss des Anwaltsvertrages, aber nach Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder nach dem Beginn der Anbahnung eines Vertrages gemäß § 311 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BGB. Damit ist ein Schuldverhältnis im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB entstanden.
Rz. 57
Den Mandanten trifft die Beweislast dafür, dass der Rechtsanwalt seiner Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss allerdings konkret darlegen, in welcher Weise er belehrt haben will.
Rz. 58
Praxistipp
Dem Mandanten sollte daher vor Abschluss des Rechtsanwaltsvertrages immer ein schriftlicher Hinweis auf den Inhalt des § 49b Abs. 5 BRAO gegeben werden, der von ihm zu unterzeichnen ist. Dieses unterschriebene Formular sollte zusammen mit der Vollmacht zur Akte genommen werden.