Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 81
Auch wenn es keine anwaltliche Pflicht zur schriftlichen Dokumentation der Sach- und Rechtslage sowie erteilter Belehrungen gibt, sollte der vom Mandanten geschilderte Sachverhalt nebst Fragestellung(en), zusammenfassendem Ergebnis, rechtlicher Würdigung und Instruktionen in einem Aktenvermerk festgehalten werden, allein schon deshalb, weil erst nach genauer Aufklärung der Fallumstände feststeht, welcher (streitige oder unstreitige) Sachverhalt der rechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist. Außerdem ist es von Vorteil, wenn sich der Rechtsanwalt so zu jedem beliebigen späteren Zeitpunkt in Erinnerung rufen kann, welche konkreten tatsächlichen Gegebenheiten seinen früheren Rechtsausführungen zugrunde gelegen haben.
Rz. 82
Am besten sollte der Aktenvermerk im Beisein des Mandanten diktiert werden, damit dieser auch später nicht behaupten kann, andere Tatsachen geschildert zu haben. Zu dem Zweck sollte dem Mandanten der Aktenvermerk auch per E-Mail oder in Abschrift übermittelt werden. In einem Anschreiben kann der Mandant gebeten werden, sich umgehend zu melden, falls in Bezug auf den Sachverhalt etwas falsch verstanden worden sein sollte. Alternativ kann der Rechtsanwalt den wesentlichen Inhalt vorgerichtlicher Gespräche und erteilter Belehrungen in Briefen an den Mandanten festhalten. Gleichzeitig können noch fehlende Informationen vom Mandanten abgefordert werden. Oftmals werden die tatsächlichen Gegebenheiten auch in einem an den Anspruchsgegner gerichteten Brief enthalten sein, welchen der Mandant abschriftlich zur Kenntnisnahme erhält.
Rz. 83
Des Weiteren spielt die exakte Aufnahme der übermittelten Informationen auch für einen etwaigen Regressprozess eine bedeutende Rolle. Wirft ein (ehemaliger) Mandant seinem Rechtsanwalt, z.B. nach einem Prozessverlust, vor, über die Prozessrisiken nicht oder nicht ausreichend beraten worden zu sein, ist die Verteidigung des Anwalts, den Klienten über die bestehenden Risiken genügend belehrt zu haben, nur dann erheblich, wenn der Gang der Beratung konkret und substantiiert dargestellt werden kann (sog. abgestufte oder sekundäre Darlegungslast). Hierzu muss der Rechtsanwalt die Zeit, die Umstände sowie Art, Inhalt und Verlauf des Mandantengesprächs einschließlich erteilter Belehrungen und die Antwort seines Auftraggebers hierauf anschaulich vortragen. Erst bei entsprechendem anwaltlichen Sachvortrag muss der klagende Mandant diese Behauptungen widerlegen. Genügt der Rechtsanwalt seiner Darlegungslast nicht, gilt die Darstellung des Mandanten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Zu häufig zeigt sich in Regressprozessen leider das Problem, dass das Erinnerungsvermögen in Bezug auf das Jahre zuvor geführte Mandantengespräch lückenhaft ist, speziell zur Erläuterung bestimmter Risiken und etwaigen Entgegnungen des Mandanten.
Rz. 84
Der Mandant kann vom Rechtsanwalt allerdings die Herausgabe des Aktenvermerks nicht verlangen, weil es sich nicht um eine aus § 11 BORA folgende Informationspflicht handelt. "Vorgänge und Maßnahmen" sind nicht die vom Anwalt oder seinen Mitarbeitern angefertigten Aktenvermerke. Sie beziehen sich auf den "Binnenbereich der Mandatsbearbeitung".