Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 103
Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten (nachhaltig) gestört ist, ist eine Mandatsniederlegung – für alle Beteiligten – sinnvoll. Nicht nur der Mandant, sondern auch der Rechtsanwalt ist jederzeit, auch ohne das Vorliegen eines wichtigen Grunds nach § 627 Abs. 1 BGB, zur Kündigung berechtigt. Wegen möglicher haftungsrechtlicher Folgen sind für den Rechtsanwalt die Wahrung der Schriftform und ein nachweisbarer Zugang der Kündigung ratsam.
Rz. 104
Für den Rechtsanwalt ist das Kündigungsrecht nur insoweit eingeschränkt, als die Kündigung nicht "zur Unzeit" ausgesprochen werden darf, § 627 Abs. 2 BGB. Eine Kündigung zur Unzeit liegt nicht bereits deshalb vor, weil die anderweitigen anwaltlichen Dienstleistungen nicht zu denselben Bedingungen und nicht in derselben Art und Weise und Güte zu erlangen sind. Der Mandant muss nur ausreichend Gelegenheit haben, die Dienste einer anderen Kanzlei zu übertragen. Eine unzeitige Mandatskündigung ist die Niederlegung unmittelbar vor oder während des Gerichtstermins sowie kurz vor Ablauf einer wichtigen Frist. Der Prozessanwalt sollte dann für den Vollmachtgeber so lange weiterhandeln, bis dieser für eine anderweitige Wahrnehmung seiner Rechte gesorgt hat.
Rz. 105
Eine ohne wichtigen Grund (schwere Störung des Vertrauensverhältnisses, welche zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mandats führt, z.B. bewusst fehlerhafte Informationserteilung, unbegründete oder formell unangemessene Vorwürfe oder Weisungen, die dem Anwalt rechtswidriges Verhalten abfordern) zur Unzeit ausgesprochene Kündigung ist trotzdem wirksam. Allerdings kann eine darin liegende Vertragspflichtverletzung den Rechtsanwalt zum Schadensersatz verpflichten, § 627 Abs. 2 S. 2 BGB.
Rz. 106
Hinsichtlich der Vergütung gilt § 15 Abs. 4 RVG. Auf bereits entstandene Gebühren ist es (soweit das RVG nichts anderes bestimmt) ohne Einfluss, wenn der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Der Rechtsanwalt kann einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen, § 628 Abs. 1 S. BGB. Kündigt der Rechtsanwalt aber das Mandatsverhältnis, ohne dass sich der Mandant vertragswidrig verhalten hat, kann der Anwalt insoweit keine Vergütung verlangen, als der Mandant einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, mit dessen Vergütung auch die Tätigkeit des kündigenden Anwalts abgegolten wäre und, soweit die bislang erbrachten Leistungen infolge der Kündigung für den Mandanten wertlos sind, § 628 Abs. 1 S. 2 BGB.
Rz. 107
Ein Rechtsanwalt muss nach der Mandatskündigung zur Vermeidung von Rechtsverlusten des Mandanten noch diejenigen Handlungen vornehmen, die zumutbar sind und keinen Aufschub dulden, dies gilt speziell für Hinweis- und Aufklärungspflichten. Der Mandant ist daher in jedem Fall auf einen möglichen Verjährungseintritt sowie laufende (prozessuale) Fristen und Rechtsbehelfe aufzuklären.
Rz. 108
Wichtiger Hinweis für Anwaltsprozesse
In Anwaltsprozessen i.S.d. § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO müssen auch noch nach (interner) Mandatsniederlegung zwischenzeitliche Zustellungen des Gerichts vom bisherigen Rechtsanwalt entgegengenommen und an den bisherigen Auftraggeber weitergeleitet werden, weil die Vollmacht nach § 87 Abs. 1 ZPO fortbesteht, bis ein neuer Prozessbevollmächtigter bestellt ist. Empfangsbekenntnisse (auch zu etwaigen Ladungen) müssen an das Gericht zurückgesandt werden. Legitimiert sich ein neuer Anwalt für den bisherigen Mandanten bei Gericht, werden die gerichtlichen Zustellungen sodann an diesen vorgenommen und die Pflicht zur eigenen Entgegennahme endet.
Rz. 109
Die anwaltliche Schweigepflicht, § 43a Abs. 2 BRAO i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 2 BORA besteht über das Ende des Mandatsverhältnisses fort.